Audio-Tipps
11.06.2020, 10:09 Uhr
Das Audiocodec-Abc
Rund um Streamingplattformen und ums Abspielen von Audiodateien hört man immer wieder etwas von «Codecs». Was ist ein Codec überhaupt? Und welche Codecs sollte man kennen und verwenden?
Beim Digitalisieren eines Videos oder Musikstücks kommen Codecs zum Zug. Der Begriff wurde aus den englischen Wörtern «Coder» und «Decoder» gebildet. Dabei handelt es sich um Computeralgorithmen, die Ton- oder Bildsignale kodieren bzw. dekodieren – mit verlustfreier oder verlustbehafteter Kompression. Es gibt Codecs für Audioformate, für Videos, aber auch für Sprachübertragung etwa bei der IP-Telefonie. Der Zweck der Codecs liegt darin, zum Beispiel Musik möglichst originalgetreu – sprich in hoher Qualität – zu speichern. Dies natürlich am liebsten, ohne allzu viel Speicherplatz zu belegen oder ohne beim Streaming zu viel Netzwerkbandbreite zu verbraten. Es ist daher ein Balanceakt: Wie stark darf man komprimieren, sodass es für den gewünschten Zweck noch gut genug klingt?
Ein Codec ist übrigens nicht das Gleiche wie ein Dateiformat, obwohl es Codecs gibt, die gleich heissen wie manche Dateiformate (zum Beispiel MP3 ist beides), in denen die gleichnamigen Codecs verwendet werden. Zuerst jedoch etwas Grundwissen und Fachbegriffe zum Thema Audiocodecs.
Containerformate
Die lassen sich am besten anhand von Videoformaten erklären, aber es gibt auch Audiocontainer. Zum Beispiel bei vertonten Videodateien könnte zum Kodieren des Videoteils der Codec H.264 verwendet werden, fürs Kodieren der Soundspur vielleicht AAC oder MP3 – und das Ganze steckt dann in einem Container, beispielsweise des Dateityps .mkv oder .mp4. Eine Software, die diese Dateien abspielen kann, muss nicht nur das Containerformat kennen, sondern auch mit den darin verwendeten Codecs vertraut sein.
Verlustfrei und -behaftet
Diese beiden Begriffe bedeuten ungefähr das, was Sie vermuten dürften. Eine verlustfreie Kompression sorgt dafür, dass keinerlei Bits verloren gehen. Das ist fast so, als würden Sie ein Word-Dokument in eine Zip-Datei stecken. Nach dem Entpacken entspricht die Datei aufs Bit genau jener, die gezippt wurde.
Ein verlustbehafteter Codec lässt beim Kodieren ein paar Daten über die Klinge springen – fast so, als würden Sie bei einem Bild die Auflösung verkleinern. Nun soll Musik aber auch in einem verlustbehaftet komprimierten Format noch passabel klingen. Deshalb wirft man möglichst nur jene Daten weg, die fürs menschliche Ohr ohnehin nicht hörbar wären, zum Beispiel besonders hohe oder tiefe Frequenzen. Oder solche, die von anderen bis zur Unhörbarkeit überlagert werden.
Abtastrate, Bitrate, Bittiefe
Beim Aufnehmen und Speichern eines Audiosignals haben verschiedene Faktoren einen Einfluss darauf, in welcher Qualität die digitale Version etwa eines Musikstücks gespeichert wird und wie gross die Datei wird. Die Abtastrate wird in Hertz bzw. Kilohertz angegeben. Sie gibt an, wie häufig pro Sekunde das Signal «gemessen» wird. Jede dieser Messungen wird als «Sample» bezeichnet. Je häufiger gemessen wird, desto genauer und daher umso besser ist das Resultat.
Der zweite wichtige Wert ist die Bitzahl oder Bittiefe. Diese gibt an, wie viele mögliche Werte zur Verfügung stehen, ein Sample abzubilden. Es ist also so etwas wie die musikalische Auflösung. Bei 16 Bit stehen für jede dieser «Messungen» 16 binäre Stellen (aus Nullen und Einsen) zur Verfügung, das ergibt im Dezimalsystem 65 536 mögliche Werte. Je höher die Bittiefe, desto mehr mögliche Werte können gespeichert werden, was zu einer höheren Genauigkeit bzw. Qualität führt.
Und die Bitrate ist mehr oder weniger eine direkte mathematische Folge aus Abtastrate und Bitzahl. Denn die Bitrate beschreibt, wie viele Daten pro Sekunde fliessen bzw. verarbeitet werden.
Mehrkanal-Unterstützung
Bei gewöhnlichem Stereosound kommen zwei Kanäle zum Einsatz – ganz logisch: einer links, einer rechts. Codecs mit Mehrkanal-Unterstützung können auch mehr als nur zwei Seiten ansteuern, so etwa Quadrophonie mit je einem Lausprecher in jeder der vier Ecken eines Raumes oder 5.1-Raumklang mit drei Speakern vorne (links, Mitte, rechts), zwei hinteren Boxen (links und rechts) und einem Subwoofer. Es gibt Codecs mit Mehrkanal-Unterstützung und welche ohne.
Einige gängige Codecs
Die Computeraudioszene kennt haufenweise Audiocodecs. Viele fristen ein Nischendasein, konnten nie richtig Fuss fassen oder sind aufgrund besserer Neuentwicklungen schon wieder aus der Mode gekommen. Hier stellen wir Ihnen einige der wichtigeren vor, die derzeit noch genutzt werden.
AAC
Advanced Audio Coding kommt überall dort zum Einsatz, wo man sich auch MP3 vorstellen könnte, also beim Streaming und auf Media-Playern sowie Smartphones. AAC klingt bei niedrigeren Bitraten etwas besser als MP3 und unterstützt die Mehrkanalkodierung (48 Kanäle). Es ist zudem der bei Apple Music für verlustbehaftete Musik verwendete Codec.
ALAC
Apples verlustfreier Lossless Audio Codec kommt primär unter iOS und macOS sowie bei hauseigenen Produkten wie Apple Music und Apple TV zum Handkuss. Apple hat den Codec schon vor einigen Jahren unter eine freie Lizenz gestellt. Als Multichannel-tauglicher Codec unterstützt er bis zu acht Kanäle.
ATRAC
Den verlustbehafteten Codec Adaptive Transform Acoustic Coding hat Sony Anfang der Neunzigerjahre für die MiniDisc entwickelt. Es gab davon noch einige weitere Versionen. Sony hielt noch lange daran fest und zögerte bei eigenen Geräten mit der Unterstützung des beliebten MP3-Formats und -Codecs. Es gibt ein paar Geräte, die ATRAC noch unterstützen. Weitverbreitet ist es aber nicht. Es gibt seit 2006 auch einen verlustfreien Codec namens Atrac Advanced Lossless. Auf Sonys Spielkonsolen werde scheints noch teilweise ATRAC9 verwendet.
FLAC
Der Free Lossless Audio Codec ist der verlustfreie und offene Codec mit der breitesten Unterstützung unter Windows, Linux und Android. Er bietet Mehrkanal-Support für bis zu acht Kanäle. Tonstudios verwenden FLAC zum Speichern ihrer Originaldateien. Audiophile Nutzer dürften auch zu jenen gehören, die ihre CDs (sofern sie nicht rein mit Vinyl unterwegs sind) im FLAC-Format rippen.
MP3
Vom deutschen Fraunhofer-Institut entwickelt und in Teilen patentiert, kam jahrelang kaum jemand an Dateien vorbei, die mit diesem Codec komprimiert wurden. Immerhin steht der Begriff «MP3-Player» für viele nicht nur fürs Abspielen von MP3-Dateien, sondern für Audiodateien verschiedenster Art. MP3 kommt immer noch als das wohl beliebteste Format und beliebtester Codec bei vielen Internetradios zum Zug, bei Podcasts und auch in Sounddateien von Computerspielen.
MPGA
Bei Internetradiostationen und bei DAB (Digitalradio) wird MPEG-1 Audio Layer II recht oft verwendet, Bild 1. Der Standard wird auch von DVD-Playern unterstützt und wurde dort häufig für DVD-Aufnahmen verwendet.
Bild 1: das Beispiel eines Internetradiobeitrags mit MPGA-Codec in einer MP3-Datei
Quelle: PCtipp.ch
MQA
Ein vor rund sechs Jahren vorgestellter verlustbehafteter Codec ist Master Quality Authenticated, der für Musikstreaming- und Download-Anwendungen dennoch Hi-Fi-Qualität bieten will. Projekte und Geräte, die MQA nutzen, kommen etwa von Pioneer, Onkyo und Warner Music. Eines der bekanntesten und grössten Unternehmen, das ebenfalls selbstbewusst auf MQA setzt, ist der Hi-Fi-Streaminganbieter Tidal.
RealAudio
Wurde besonders für Audiostreaming genutzt, ist aber heute mehrheitlich durch AAC abgelöst, an dessen Entwicklung der RealAudio-Erfinder von RealMedia ebenfalls beteiligt ist. Es gibt mit RealAudio Lossless auch eine verlustfreie Variante davon. Beide bieten Multichannel-Support für bis zu sechs Kanäle.
Vorbis
Dieser Codec wurde als Alternative zu MP3 in Stellung gebracht, als die MP3-Patente noch gültig waren und besonders in der Open-Source-Szene als teures Hemmnis betrachtet wurden. Vorbis war im Gegensatz zu MP3 schon immer quelloffen und frei von Patenten. Aus technischer Sicht kann Vorbis dem MP3-Codec durchaus das Wasser reichen und übertrifft dieses sogar qualitativ, besonders bei niedrigeren Bitraten. Der prominenteste Einsatzort dürfte Spotify sein. Vorbis unterstützt Mehrkanal-Kodierung.
WMA
Windows Media Audio ist ein proprietärer verlustbehafteter Codec von Microsoft. Seit Jahren bei Windows mit dabei, lässt er sich für ähnliche Zwecke wie MP3 verwenden. Auch wenn viele Geräte und Software-Player mit WMA umgehen können – so richtig durchsetzen konnte sich WMA aber nicht gegen MP3, AAC, Vorbis und andere. Auch von Windows Media Audio gibt es eine Lossless-Variante. Jene unterstützt sechs Kanäle.
Praxistipps
Die meisten Geräte und Abspielprogramme sollten eigentlich die gängigen Codecs unterstützen. Etwas an Codec-Support bringt auch das Betriebssystem selbst mit.
Haben Sie Probleme beim Abspielen von Dateien, hat das meistens eine von zwei Ursachen: Entweder ist die Datei defekt. In diesem Fall müssen Sie sich eine intakte Version der Datei beschaffen – vielleicht ab einem Backup. Ob die Datei defekt ist, können Sie auch herausfinden, indem Sie sie mit einem Programm abspielen, das mit jeder Audiodatei klarkommen sollte. Probieren Sie es mit dem mächtigen und dennoch schlanken Open-Source-Player VLC Media Player, der für verschiedene Plattformen erhältlich ist. Den Gratis-Download gibts unter videolan.org/vlc.
Ist es kein Defekt, fehlt Ihrem Abspielgerät bzw. der Abspiel-Software vielleicht bloss der passende Codec. Es gibt Tools, die Ihnen Bescheid geben können, welche Codecs in einer Audio- oder Videodatei verwendet wurden. Früher hätten wir Ihnen hierfür «GSpot» empfohlen. Das gibt es zwar noch unter dem Link gspot.headbands.com, wird aber seit dreizehn Jahren nicht mehr weiterentwickelt, weshalb man befürchten muss, dass ihm neuere Codecs unbekannt sind. Ein neueres und ebenfalls kostenloses Tool heisst MediaInfo (Download von mediaarea.net). Greifen Sie dort zum Universal installer (32/64 bit). Nach der Installation starten Sie das Tool und schalten Sie die Sprache auf Deutsch um, Bild 2. Klicken Sie auf OK. Ziehen Sie eine zu untersuchende Datei ins Programm und lassen sich die Informationen anzeigen. Unter Ansicht finden Sie diverse Darstellungsmöglichkeiten, die Variante Einfach reicht meistens, Bild 3.
Falls Sie inzwischen sowieso den VLC Media Player an Bord haben, brauchen Sie MediaInfo vermutlich nicht. Öffnen Sie darin mal eine Datei und gehen Sie zu Werkzeuge/Codec-Informationen. Auch hier wird der verwendete Codec zusammen mit weiteren Infos wie Abtast- und Bitrate enthüllt, Bild 4.
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