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09.09.2014, 14:20 Uhr
Analyse: Kinderschutz vernebelt oft die Sinne
In Zukunft soll bereits das Anbandeln mit Kindern im Netz unter Strafe gestellt werden. Das gibt Anlass zu Kritik.
Immer, wenn Kinder im Spiel sind, werden politische Debatten emotional. Das ist natürlich, jedoch vernebeln die Gefühle bisweilen den Blick auf das Wesentliche. So auch bei einer soeben angenommenen parlamentarischen Initiative, die das Anbandeln mit Kindern im Netz unter Strafe stellen soll. Als Vater zweier kleiner Kinder möchte der Autor dieses Textes natürlich nicht, dass diese je in die Fänge eines Kinderschänders gelangen. Keine Mutter, kein Vater will das. Nur ist die Frage, wo die Prävention beginnt und an wen diese delegiert wird.
Heute hat die Polizei keine Handhabe bei diesen «Vorbereitungstaten», Anmachsprüche in Chat-Foren, Aufforderung zu Treffen, auch Grooming genannt. Aber dass diese passieren, bestätigen Experten. Die Bundes-Koordinationsstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität (KOBIK) geht davon aus, dass in Kinderchats oder Foren für unter 16-Jährige beinahe zwei Drittel erwachsene Männer sind, also 18 Jahre oder älter. Ein Mädchen in einem Chatroom wird nach rund 2 Minuten von einem Mann angesprochen und kurz danach geht es um Sex. Das sind die Fakten. Die Polizei ist gegenüber solchen Vorbereitungstaten machtlos. Sie kann erst zuschlagen, wenn es zu Treffen kommt. Das ist die aktuelle Rechtslage. Und auch dort herrscht Unsicherheit - es kommt zum Treffen, ist dann klar, dass es auch tatsächlich zu einem sexuellen Kontakt kommt?
Heute hat die Polizei keine Handhabe bei diesen «Vorbereitungstaten», Anmachsprüche in Chat-Foren, Aufforderung zu Treffen, auch Grooming genannt. Aber dass diese passieren, bestätigen Experten. Die Bundes-Koordinationsstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität (KOBIK) geht davon aus, dass in Kinderchats oder Foren für unter 16-Jährige beinahe zwei Drittel erwachsene Männer sind, also 18 Jahre oder älter. Ein Mädchen in einem Chatroom wird nach rund 2 Minuten von einem Mann angesprochen und kurz danach geht es um Sex. Das sind die Fakten. Die Polizei ist gegenüber solchen Vorbereitungstaten machtlos. Sie kann erst zuschlagen, wenn es zu Treffen kommt. Das ist die aktuelle Rechtslage. Und auch dort herrscht Unsicherheit - es kommt zum Treffen, ist dann klar, dass es auch tatsächlich zu einem sexuellen Kontakt kommt?
Kein Gesinnungsstrafrecht
Wollen wir ein solches Gesinnungsstrafrecht? Also nur schon die Absicht, etwas zu tun, unter Strafe zu stellen? Hier bewegen wir uns auf heiklem Terrain. Zu Recht moniert der Zürcher Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch im Tages-Anzeiger: Es können Leute bestraft werden, die noch gar nichts gemacht hätten. Ein wichtiger Punkt. Denn unser Strafrecht soll Täter bestrafen, nicht potenzielle Täter. Es wird auch niemand bestraft, der einen Sportwagen mit 300 PS kauft. Obwohl man sehr wohl davon ausgehen kann, dass dieser jemand früher oder später aufs Gaspedal drückt und Mitmenschen gefährden könnte. Auf Raserei steht ebenfalls Gefängnis. Hier sind wir also wieder beim vernebelten Blick. CVP-Nationalräten Viola Amherd, eine der Wortführerin der Initiative, sagt: «Draussen in der Realität würden wir so etwas nie tolerieren.» Aber in der Realität schicken wir auch nicht minderjährige Kinder allein und unbeaufsichtigt in eine Arena mit wildfremden Menschen. Daran kranken die meisten Vorstösse oder Debatten, wenn es ums Internet geht. Entweder werden Analogien zur Realität herbeigeredet oder sie werden verneint.
Eltern stehen in der Pflicht
Dass es eigentlich Aufgabe der Eltern ist, Kinder über alltägliche Gefahren aufzuklären oder sie davor zu schützen, das wird immer mehr ausgeblendet. Das Gesetz soll es richten, die Verantwortung wird delegiert. Die Juristen unter den Parlamentariern - und das sind nicht wenige - zimmern je länger je mehr an einer gesetzlichen Vollkaskoversicherung für die Gesellschaft. Mit all seinen negativen Konsequenzen bis hin zur Aushöhlung von Grundrechten. Es braucht nicht mehr Gesetze, diese müssen nur konsequent angewendet werden.
Dazu kommt, dasss Chat-Foren vermutlich vom Aussterben bedroht sind. Die moderne Kommunikation wird oder findet bereits über Messenger wie WhatsApp, Facebook oder SnapChat statt. Und ja, diese Apps werden auch von Minderjährigen bedient. Kaum vorstellbar, dass hier eine Behörde mitlesen kann oder will. Oder dass die Gesellschaft will, dass die Behörden mitlesen.
Zurück zum Grooming - eine Exit-Strategie zu diesem überflüssigen wie auch juristisch heiklem Gesetzesartikel besteht. So könnten sexuelle Belästigungen von Kindern zum Offizialdelikt erklärt werden oder sexuelle Handlungen mit Kindern neu in den Katalog der schweren Straftaten aufgenommen werden. Bei solchen werden Vorbereitungshandlungen schon verfolgt. Das ist eigentlich bedenkenswerter: Dass sexuelle Handlungen mit Kindern nach wie vor nicht als schwere Straftaten taxiert werden.
Dazu kommt, dasss Chat-Foren vermutlich vom Aussterben bedroht sind. Die moderne Kommunikation wird oder findet bereits über Messenger wie WhatsApp, Facebook oder SnapChat statt. Und ja, diese Apps werden auch von Minderjährigen bedient. Kaum vorstellbar, dass hier eine Behörde mitlesen kann oder will. Oder dass die Gesellschaft will, dass die Behörden mitlesen.
Zurück zum Grooming - eine Exit-Strategie zu diesem überflüssigen wie auch juristisch heiklem Gesetzesartikel besteht. So könnten sexuelle Belästigungen von Kindern zum Offizialdelikt erklärt werden oder sexuelle Handlungen mit Kindern neu in den Katalog der schweren Straftaten aufgenommen werden. Bei solchen werden Vorbereitungshandlungen schon verfolgt. Das ist eigentlich bedenkenswerter: Dass sexuelle Handlungen mit Kindern nach wie vor nicht als schwere Straftaten taxiert werden.
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Autor(in)
Marcel
Hauri
15.09.2014
15.09.2014
22.09.2014