News 17.08.2012, 11:12 Uhr

Apples neuer Kartendienst im Detail

Ab iOS 6 wird alles anders - zumindest für Nutzer, die iPhone und iPad auch gern zur Orientierung nutzen. Werfen Sie einen Blick in die neue Karten-App mit Navigation und Siri-Unterstützung
Dieser Artikel stammt von Karl Gauss von Macwelt.de
Bei der Kartenanwendung ist fast nichts mehr so, wie es war. Die Welt sieht jetzt anders aus. Dies liegt vor allem daran, dass wir die Erde nicht mehr aus der Sicht von Google Maps sehen, sondern neues Kartenmaterial in der App steckt. Apple arbeitet hier unter anderem mit dem niederländischen Navi-Hersteller TomTom zusammen. Dieser Schritt ist nicht überraschend, da Apple schon seit einiger Zeit darauf hinarbeitet, sich von Google zu lösen. Dazu zählen unter anderem Übernahmen kleinerer Firmen aus der Geobranche.
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Apples «eigene» Karten sind eine Kollaboration von vielen Anbietern. Partner TomTom nutzt seinerseits zahlreiche Quellen für seine Daten, und zudem hat Apple etliche andere Anbieter mit im Boot, die Daten beisteuern. Dazu zählen Dienstleister wie AND, die NASA, Waze und sogar Open Streetmap. Kurz gesagt: Apples Karten sind ein kompliziertes Konstrukt aus etlichen Lizenzen und Quellen.
Kartenvergleich: Links die alten Karten von Google, rechts die neue Apple-Karte von iOS 6.
In der Praxis hat dies einige deutliche Auswirkungen. So sehen sowohl Satellitenansicht als auch die grafische Ansicht jetzt anders aus, als von Google Maps her gewohnt. Besonders bei der grafischen Karte ist der Unterschied enorm. Grösste Neuerung: Die grafischen Karten sind nun vektorbasiert. Das bedeutet, dass die Karten beim Zoomen nicht so oft nachgeladen werden müssen. Lediglich Objekte wie Strassennamen werden bei höherer Zoomstufe nachgeladen. Zudem kann man die Karte jetzt erstmals mit einer Zweifingergeste rotieren lassen.
Um die Karte wieder einzunorden, gibt es nun ein kleines Kompasssymbol oben rechts. Apropos Strassennamen: Dank der Vektorkarten sind Namen und Bezeichnungen nicht mehr fest in die Karte hineingeschrieben. Stattdessen drehen sich die Namen um, wenn man die Karte auf den Kopf dreht – ein kleines, aber praktisches Detail. Dazu passt auch: Aus der Distanz erscheint die Erde in der Satellitenansicht nun als echter Planet wie bei Google Earth und nicht mehr als ausgerollte Karte wie in der alten App.
Ebenfalls ganz neu: Die Kartenfunktion ist jetzt an den Sprachassistenten Siri angebunden. Fragen wir Siri nach einem Ort, «Wo ist Bern?», blendet es eine passende Minikarte ein, ein Tippen darauf öffnet die App. Auch nach Geschäften in der Nähe kann man per Siri suchen. «Ist ein Restaurant in der Nähe?» zeigt beispielsweise schon jetzt die umliegenden Restaurants. Auch Routen kann man so abfragen und direkt die Navigation starten.
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Auch ein Navi ist dabei

Kostenloses Navi
Navigation: Jetzt können Sie bald per iPad (3G) und iPhone (4S) navigieren.
Apropos: Mit dem iPhone 4S und ab dem iPad 2 kann man jetzt auch navigieren. Zusätzlich zur bisherigen Routenfunktion gibt es nun «Turn by Turn»-Navigation, also echte Streckenführung mit gesprochenen Ansagen. Ältere iPhones und iPads haben weiterhin lediglich die gewohnte Routenführung in der neuen App. Die Navigationsfunktion ist einfach zu starten: Man tippt lange auf einen Ort, um eine Stecknadel zu setzen. Dort erscheint dann ein grünes Autosymbol in der Flagge. Ein Tippen darauf startet die Navigation. Alternativ kann man ein Yelp-Symbol auf der Karte antippen, beispielsweise ein Restaurant, und man erhält ebenfalls eine Flagge mit Navi-Knopf. Selbstverständlich kann auch Navi-typisch nach einer konkreten Adresse oder einem Namen aus dem Adressbuch gesucht werden. Tippt man auf das Autosymbol, sieht man die Route im Überblick und kann oft eine alternative Strecke wählen.
Eine Art Verkehrsüberwachung gehört ebenfalls zum Umfang von Apples Karten und soll Staus anzeigen, die die Navigation automatisch zu umfahren versucht. Die Daten sammelt Apple unter anderem durch iOS-Nutzer mit eingeschalteter Ortung. Dies ist in Europa bis zum Redaktionsschluss jedoch noch nicht integriert. Gut gefällt uns dagegen, dass die Navigation auch im Sperrbildschirm nicht unterbrochen wird. Die Verbindung von Siri und Navi ist jedoch unheilvoll. So gut dies bei einfachen Städtenamen funktioniert, so mühsam ist es bei konkreten Strassennamen, womöglich gar mit Hausnummer. Hier liegt Siri fast immer daneben und versteht die Spracheingabe falsch.
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3D-Flugmodus und Yelp

Fotorealistischer 3D-Flugmodus
Eine der grössten Neuerungen der Karten-App von iOS 6 ist die neue Ansicht, die Apple «Flyover» genannt hat. Hier senkt sich die Perspektive in einem spitzeren Winkel zum Boden. Hier hat Apple wie bei anderen Konkurrenzprodukten üblich 3D-Modelle der Gebäude angelegt, die mit einer Fototapete überzogen sind. Dies ist in einigen Städten wie San Francisco und Sydney sehr eindrucksvoll. Die 3D-Gebäude stammen von der Firma C3, die Apple 2011 übernahm.
In den meisten Städten bringt die 3D-Ansicht jedoch nur eine andere Perspektive und damit ausser mehr Weitsicht keinerlei Funktion. Bis zum Verkauf an Apple hatte C3 rund zwei Dutzend Städte in 3D erfasst, darunter Berlin und Wien. Diese sind jedoch noch nicht in die Server der Karten-App integriert. Apple wird hier sicher weitere Städte nachliefern. Wer eine Vorschau sehen will, kann sich ausgerechnet bei Apples Konkurrent Nokia Städte in 3D im Browser ansehen (benötigt ein Browser-Plug-in). Die Finnen hatten das Material von C3 noch vor dem Verkauf lizenziert: maps.nokia.com/3D.
Was bringt Yelp?
Alle Geschäfte, Sehenswürdigkeiten und andere wichtige Orte stammen jetzt aus der Datenbank des Anbieters Yelp statt wie bisher von Google Local. Yelp ist in erster Linie ein Bewertungsportal für lokale Geschäfte. Nutzer tragen hier ein, wie ihnen der Besuch in einem Restaurant oder einer Konzerthalle gefallen hat. Das bedeutet, dass Yelp ein umfassendes Verzeichnis dieser Orte hat. Apple hat diese Datenbank in das Kartenmaterial integriert und zeigt so Restaurants, Einkaufsläden oder Parks an. Per Tipp auf ein Geschäft öffnet sich nach einem weiteren Tap auf das «i»-Zeichen ein Fenster, das nicht nur Kontaktdaten, sondern meist auch erste Infos zur Einschätzung des Geschäftes zeigt. Neben der Durchschnittswertung der Yelp-Nutzer gibt es hier «Beiträge» mit Erfahrungsberichten und «Fotos» mit Aufnahmen von Nutzern. Besonders kleinere Geschäfte haben jedoch oft nur sehr wenige oder keine Bewertungen. Man kann Siri auch nach Geschäften in der Umgebung fragen. «Zeig mir italienische Restaurants in der Nähe», lässt ein Yelp-Vorschaufenster auf dem Home-Bildschirm aufpoppen.
Auf der letzten Seite: Einstellungen und Fazit

Die Abfrage nach umliegenden Geschäften über ...

Yelp ist Apples neue Quelle für POI und zeigt Infos und Kontaktdaten zu Geschäften, Sehenswürdigkeiten und Unternehmen.
Die Abfrage nach umliegenden Geschäften über Siri funktioniert in der Praxis relativ gut und ist somit sogar schneller als eine manuelle Textsuche. Wir fragen nach verschiedenen Arten von Restaurants, nach einem Fahrradgeschäft in der Nähe und nach diversen anderen Branchen. Oft hat Siri Erfolg, einige Fachgeschäfte versteht der Assistent jedoch nicht. Auch die Siri-Suche nach konkreten Geschäftenamen funktioniert nach unserer Erfahrung nicht. Dennoch ist es kein Problem, unterwegs beispielsweise nach der nächsten Tankstelle zu fragen und auch gleich die Route dorthin zu erfahren. Ebenfalls möglich: nach Geschäften oder Einrichtungen in anderen Städten zu suchen, sowohl über Siri als auch über das Suchfeld der Karten-App. Siri funktioniert hier sogar besser, da die Assistenzfunktion gezielt nach Einrichtungen sucht, während die Suche etwa auch die «Parkhausstrasse» anzeigen könnte.
Einstellungen
In den Systemeinstellungen von iOS 6 finden sich einige einfache Optionen, mit denen die Karten-App angepasst werden kann. Dabei gibt es eine Option für die Lautstärke der Navi-Ansagen (nur 4S und ab iPad 2) und beispielsweise die Wahl zwischen Meilen- oder Kilometerangaben bei Routen. Wer möchte, kann alle Beschriftungen der Karte auf Englisch umstellen. Tatsächlich nützlich ist dagegen die Wahl der «Etikettgrösse». Hier kann man dafür sorgen, dass Beschriftungen auf der Karte anstatt elegant und winzig gut lesbar dargestellt werden. Besonders auf dem iPad ist das (wegen des meist grösseren Betrachtungsabstands) überaus nützlich.
Fazit: Europa wartet
Keine 3D-Gebäude, keine Verkehrsdaten und nicht alle Geschäfte und Sehenswürdigkeiten: Aktuell ist Apple damit beschäftigt, die Quellen zusammenzuführen und Daten zu ergänzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind einige Städte und Landstriche in der Satellitenansicht nur sehr schwammig zu erkennen. Zudem fehlen die Verkehrsinformationen momentan in Europa noch, Apple scheint aber kräftig daran zu arbeiten und ergänzt fehlende Daten nach und nach.



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