Extravagante Geräte
01.09.2023, 10:41 Uhr
Kopfhörer: Modelle abseits des Mainstreams
Es müssen nicht immer Apples AirPods sein – gerade von kleineren Herstellern gibt es immer wieder spannende neue Kopfhörer, die sich von der Masse abheben.
Die Musik gelangt beim OpenFit von Shokz via Knochenschall an das Trommelfell – die Ohren bleiben damit komplett frei.
(Quelle: Shokz)
Achtung Wortspiel: Bei Kopfhörern ist richtig Musik drin für den stationären Handel. Laut Branchenindex Hemix ging der Durchschnittspreis im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent nach oben: 89 Euro gaben die Deutschen im Schnitt für einen Kopfhörer aus. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren lag der Preis noch bei 43 Euro. Am meisten Umsatz lässt sich ohne Frage mit den Modellen der bekannten Hersteller machen, allen voran Apple mit den verschiedenen AirPod-Varianten, aber auch Jabra, Sony, Bose und viele andere verkaufen sich gut.
Doch was gibt es abseits der Massenware, womit kann man sich als Händler von der Konkurrenz abheben? Wir haben fünf Modelle ausgesucht, die teils durch ausgefallene Technik aus der Masse herausstechen – oder, wie in einem Fall, durch das bewusste Weglassen von Hightech.
Kopfhörer mit integrierter eSIM und Sprachsteuerung
Vom ersten Hersteller in unserer Reihe dürften die wenigsten schon einmal etwas gehört haben. Mymanu präsentierte auf der IFA 2022 sein erstes Modell, den nach eigenen Angaben «weltweit ersten sprachgesteuerten 4G-Kopfhörer» namens Titan. Das Gerät kann mittels eSIM direkt online gehen, auch ohne Smartphone soll es so möglich sein, Musik zu streamen, Nachrichten zu empfangen oder Anrufe zu tätigen. Die Steuerung soll vollständig via Sprachbefehl funktionieren, der Hersteller verweist auf seiner Website auch darauf, dass dieser Kopfhörer damit für sehbehinderte Menschen leichten Zugang zu Telefonie, Musik et cetera ermöglichen soll. Als ein Highlight preist man die Live-Übersetzungsfunktion an.
37 Sprachen soll der Titan verstehen und – via Internet-Zugang – mit minimaler Verzögerung live übersetzen und auf die Ohren des Trägers schicken. Der Titan ist laut Hersteller für bis zu acht Stunden Spielzeit gut, wer über das Internet streamt, muss den Kopfhörer nach zwei Stunden allerdings wieder an den Strom hängen. Zu Preisen gibt es noch keine Informationen, die Kickstarter-Kampagne für die marktreife Version soll erst Anfang 2024 beginnen.
Automatische Analyse des eigenen Hörvermögens
Der australische Hersteller Nura war vor einigen Jahren der erste, der eine aktive Vermessung des Hörvermögens des Trägers realisierte. Wenn sich zehn Menschen ein und denselben Song anhören, so klingt er für jeden anders – und das ist nicht nur vom Alter und der damit verbundenen Fähigkeit, bestimmte Frequenzen hören zu können, abhängig, sondern auch von der Form des Gehörgangs und vielen weiteren Faktoren, die bei jedem unterschiedlich sind. Wie schon bei den ersten Nuraphones aus dem Jahr 2019 werden auch bei den neuen NuraTrue Pro im Rahmen des Tests die sogenannten otoakustischen Emissionen aufgezeichnet. Das sind Schallwellen, die von den äusseren Haarzellen des Innenohrs als Reaktion auf eingehende Töne ausgesendet werden.
In der Medizin wird dieses Verfahren bei Säuglingen eingesetzt, aber auch, um etwaige Hörstörungen bei Erwachsenen zu diagnostizieren. Die Kopfhörer nehmen diese Messung innerhalb von etwa einer Minute ohne Zutun des Nutzers vor, er muss dazu lediglich die App auf seinem Smartphone installieren. Um die feine Klangabstimmung auch wirklich erlebbar zu machen, unterstützen die Kopfhörer aptX Lossless Audio. Für den Preis von 359 Euro bekommt man ausserdem Adaptive Active Noise Cancellation, ein Lade-Case, das drahtlos mit Strom versorgt werden kann, und insgesamt acht Mikrofone. Zwei davon arbeiten mit Knochenschallübertragung.
Bei Shokz gibt es nichts auf die Ohren
Diese Technologie macht sich auch das nächste Gerät unserer Reihe zunutze: Der Hersteller Shokz bietet bereits seit vielen Jahren Modelle an, bei denen der Ton nicht wie gewohnt über den Gehörgang zum Trommelfell gelangt, sondern über Vibrationen, die dann über den Kiefer-/Schädelknochen weitergeleitet werden. Die neuen OpenFit reihen sich in diese Riege ein, das erste True-Wireless-Modell von Shokz analysiert überdies fortlaufend die Tonübertragung. Diese erfolgt über zwei 18 × 11 Millimeter grosse Membranen, die am Kopf anliegen. Der Hersteller verspricht, dass Aussenstehende nicht mithören können. Beim Telefonieren soll der Gesprächspartner wiederum ausschliesslich die Stimme des Nutzers zu hören bekommen, andere Störgeräusche werden mit Künstlicher Intelligenz herausgefiltert – wobei die Entwickler hier eine genaue Definition von KI schuldig bleiben. Die Laufzeit gibt Shokz mit bis zu 28 Stunden an, fünf Minuten im Lade-Case sollen zudem ausreichen, um genügend Energie für eine Stunde Betriebszeit zu tanken. Der Preis liegt bei 199 Euro.
Einen relativ hohen Bekanntheitsgrad hat der Hersteller Nothing, der mit seinem ersten Smartphone in transparenter Optik für einiges Aufsehen gesorgt hatte. Ein echter Hingucker sind auf jeden Fall die Nothing Ear Sticks, die ebenfalls durch das teilweise transparente Gehäuse einen Blick auf die Technik gestatten. Technische Highlights sucht man hier vergebens, für 79 Euro bekommt man aber immerhin Noise Cancelling und den klanglich hochwertigeren AAC-Codec zur Übertragung von Musik. Nothing stellt bei seinen Kopfhörern aber klar den ausgefallenen Look in den Vordergrund.
Koss Porta Pro: Ein Relikt vergangener Tage
Der Commodore C64 wurde von 1982 bis 1994 hergestellt, ein für die IT unglaublich langer Zeitraum. Noch deutlich länger als der legendäre „Brotkasten“ ist ein Kopfhörer auf dem Markt, der Koss Porta Pro. Er hat den Walkman kommen und gehen sehen, die MiniDisc-Ära überlebt und steckte an unzähligen Discmen und iPods. Seit 1984 wird das Gerät unverändert gebaut, dem Jahr, in dem Apple seinen Rechner Macintosh vorstellte und in Deutschland die erste E-Mail versendet wurde.
Der Look ist wie aus der Zeit gefallen und lässt Nostalgiker von den 80er-Jahren träumen, als Bands wie Marillion ihre Hochzeit hatten. Das Design wirkt äusserst fragil, der dünne Metallbügel für den Kopf spart Gewicht, der Schaumstoff über den in blauem Kunststoff gefassten Treibern fühlt sich so an, als halte er höchstens einen Monat. Für den Preis von unter 40 Euro bekommt man einen erstaunlich guten Klang, wie sich im Test gezeigt hat. Durch die offene Bauweise dringen zwar auch die Umgebungsgeräusche an die Ohren, dafür trägt sich der Koss auch bei hohen Temperaturen sehr angenehm, während On- oder Over-Ear-Hörer mit Kunstleder an den Ohren kleben. Der Frequenzbereich liegt zwischen 15 Hz und 25 kHz, sodass der Kopfhörer tiefe Bässe und gleichzeitig auch hohe Frequenzen gut wiedergibt. Übrigens: Um den Koss Porta Pro mit einem halbwegs aktuellen Smartphone nutzen zu können, benötigt man einen Adapter. Das Gerät verfügt nämlich lediglich über ein klassisches Kabel mit 3,5-Millimeter-Klinkenanschluss.
Autor(in)
Christopher
Bertele
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