Und täglich grüsst das Murmeli
26.10.2023, 11:40 Uhr
26.10.2023, 11:40 Uhr
Kommentar: Das DAB+-Desaster
Der Bund hat die UKW-Funkkonzessionen – schon wieder – um zwei Jahre verlängert. Von einem «Desaster» und «Trauerspiel» spricht unser Stv. Chefredaktor in seinem Kommentar.
Es hat schon etwas von einem Cliffhänger, also einer spannenden Geschichte mit Fortsetzung. Vielleicht sogar endlos, mit ungewissem Ausgang. Protagonist ist der UKW-Ausstieg, oder besser gesagt die Institution Bundesrat, welche an ihrer Sitzung von 25. Oktober nunmehr beschlossen hat, die UKW-Funkkonzession ein weiteres Mal, summa summarum bereits das dritte Mal, bis auf Ende 2026 zu verlängern.
Wirklich «der letzte Tanz» – oder etwa doch nicht?
Wir zitieren: «Durch die Anpassung der Verordnung über die Nutzung des Funkfrequenzspektrums können Radiobetreiber UKW für zwei weitere Jahre nutzen. Dadurch […] erhält die Radiobranche so die gewünschte Flexibilität, um den Migrationsprozess vom analogen zum digitalen Radio erfolgreich abzuschliessen.»
Heisst übersetzt: Leider ist die Durchdringung mit Digitalradio, also bei «DAB+» und «Internetradio», wohl immer noch nicht so weit fortgeschritten, wie sich das BAKOM das eigentlich vorgestellt hat. OK. Warum aber eigentlich? Seit 2017, der ersten Ankündigung, sind mittlerweile 6 Jahre verstrichen.
Durchdringung kann dabei auf vielerlei Weise interpretiert werden, fusst aber wohl sicherlich nicht mehr auf technischen Problemen oder der Erhältlichkeit entsprechender Geräte. Digitalempfänger für den stationären wie auch mobilen digitalen Empfang gibt es zuhauf: Sei es als klassisches Stand-alone-Gerät für die Stube oder dem Autoradio bis hin zum Smartphone für unterwegs: Internet- und DAB+-Radios gibt es in verschiedenen Formfaktoren, Anwendungen und unterschiedlicher Geräteklassen und Hersteller.
Die Preise sind fair bemessen, die Geräte in grossem Umfang erhältlich. Zudem ist die Technik ausgereift, und kinderleicht zu bedienen, wie unter anderem diese PCtipp-Kaufberatung zeigt.
Was da schiefgelaufen ist, erfahren Sie auf der nächsten Seite.
PCtipp wills wissen: Was ist schiefgelaufen, was steckt dahinter? Und gibt es einen Ausweg?
Zwei Lager, zwei (verhärtete) Meinungen
Dagegen... Nach wie vor gibt es aber ernst zu nehmenden Widerstand, der sich gegen eine Abschaltung ausspricht. So «funkt» bezüglich der Abschaltpläne die Romandie dazwischen, die auch weiterhin keinen tatsächlichen Grund sieht, sich von UKW zu trennen. Prominente Unterstützung kommt auch von Roger Schawinski, dem Radio-1-Chef und seiner bereits im April 2023 ins Leben gerufenen Petition «Rettet UKW».
… und dafür: Dem gegenüber möchte Unikom (Union nicht-gewinnorientierter Lokalradios) eine Abschaltung, die sich eben ohne weitere Verzögerung an den offiziellen Abschalttermin (31. Dezember 2024) hält. Mit einem offenen Brief, der von über 40 Radioveranstaltern unterzeichnet wurde, und an Bundesrat Albert Rösti geschickt wurde, bittet Unikom darum, die Migration von UKW auf DAB+ bis Ende 2024 marktstimulierend durchzuführen.
Für Unikom geht es sogar um ihre Existenz: «Solange UKW in Betrieb ist, geht die klassische Radiowerbung in der Schweiz trotz Digitalisierung immer noch ganz überwiegend an UKW-Radioveranstalter und kaum an Digitalradio-Veranstalter.» Und weiter: «Für eine erneute Verlängerung der UKW-Funkkonzessionen oder eine Fade-out-Phase bestehe keine Rechtsgrundlage. Sollte das UKW-Aus nicht Ende 2024 erfolgen, müssen die UKW-Frequenzen im Sinne von Art. 22a des Fernmeldegesetzes FMG öffentlich neu ausgeschrieben werden». Welches Lager hat nun recht? Beide Seiten sind verhärtet. Beide Seiten haben ihre Argumente, die durchaus ihre Daseinsberechtigung haben.
Mit Einsicht handeln
Deshalb könnte man doch über einen anderen, alternativen Weg nachdenken. Vielleicht brauchts gerade jetzt Mut und Freundlichkeit: einen Weg raus dem Schlamassel und rein in eine faire, offen geführte Diskussion, die beide Seiten an einen Tisch bringt und auch für beide (rechts-)verbindlich ist, um einen endgültigen (!) Zeitplan auszuarbeiten.
Druck kommt auch vom Konsumenten: Laut der Werbemedienforschung (Kürzel: Wemf) steht der klassische TV- und Radiokonsum in der Schweiz stetig unter Druck, während der Konsum von Streaming-Plattformen (Netflix, Disney+, Amazon Prime, YouTube, Facebook, Instagram, Spotify, LinkedIn, TikTok) expandiert. Zwar geben die letzten Wemf-Zahlen den Klassikern (TV, Radio, Kino) wieder etwas mehr Zuversicht.
Auf lange Zeit wird das Geschäft wohl aber zunehmend schwieriger werden, da muss man auch kein Prophet sein. Deshalb wäre es doch echt ärgerlich, wenn dann der allerletzte Radiohörer (sofern dieses Trauerspiel eben kein Ende hätte) gar nichts mehr zu hören hätte.
26.10.2023
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