Interview: Blackout und andere Katastrophen
Die Rolle von sozialen Medien
Welche Rolle spielen dabei soziale Medien?
Roth: Die Forschung zeigt, dass Menschen im Krisenfall die gleichen Kommunikationskanäle nutzen wie sonst. Die grossen Konzerne haben das erkannt und entsprechende Teams gebildet. Zum Beispiel stellen sie Krisenkarten zur Verfügung, auf denen Menschen eintragen können, wo welche Hilfe zu bekommen ist. Der «I am okay»-Status trägt wesentlich dazu bei, dass Verwandte und Bekannte besser informiert sind, ob jemand in Sicherheit ist und die Kommunikationsnetze dadurch weniger belastet werden. Zudem sehen wir vermehrt selbstorganisierte Hilfe auf diesen Plattformen. Ein Beispiel war die Opendoor-Aktion nach der Schiesserei in München, bei der Bewohner den Betroffenen spontan einen sicheren Schlafplatz angeboten haben.
Wie sehen Sie die Zukunft?
Prior: Für mich gibt es zwei wichtige Punkte: Es gibt keine Katastrophe ohne Menschen – ein Erdbeben an einem Ort, an dem keine Menschen leben und es keine Infrastruktur gibt, ist nur ein Naturereignis, keine Katastrophe. Deshalb ist für uns die Frage der sozialen Verwundbarkeit, das heisst, wer am stärksten betroffen ist, so wichtig. In Zürich gibt es beispielsweise eine detaillierte Risikokarte, welche die Konsequenzen von Überschwemmungen zeigt. Aber es fehlen Daten, wo welche Menschen besonders verwundbar sind – wie ältere Menschen oder Migranten – hier gibt es noch Forschungsbedarf.
Zweitens bedeutet der Einfluss der Zivilgesellschaft und der sozialen Medien, dass die Behörden nicht mehr nur top-down kommunizieren können und damit auch ein Stück Deutungshoheit verlieren. In Zukunft werden die Behörden mehr in Dialog mit der Bevölkerung treten müssen. Das ist eine Herausforderung, weil Behörden beispielsweise erst informieren möchten, wenn eine Information als gesichert gilt. Die Bürger erwarten aber schnelle Informationen. Aber es ist auch eine grosse Chance für einen effizienteren Bevölkerungsschutz. In Zukunft können Behörden ihre Kommunikation noch stärker situativ anpassen.
Was kann jeder Einzelne tun, um sich besser vorzubereiten?
Prior: Wichtig ist, dass man die Gefahren kennt und weiss, was im Katastrophenfall zu tun ist. Ein Beispiel: In Bern gibt es stark hochwassergefährdete Gebiete. Aber weiss ich auch, was ich machen muss, wenn das Hochwasser wirklich kommt? Obwohl der Notvorrat vielen etwas antiquiert erscheinen mag, ist er trotzdem eine gute Idee. Denn im Krisenfall wird sich die Schweiz gut organisieren, aber es kann sein, dass die Menschen die ersten zwei, drei Tage alleine über die Runden kommen müssen. Ganz allgemein zeigt sich, dass Haushalte, die sich einen Familiennotfallplan zurechtgelegt haben, Katastrophen besser überstehen als andere.
07.01.2017