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16.03.2017, 08:37 Uhr
Das Ringen um eine einheitliche digitale Identität
Die beiden Grossbanken und Swisscom wollen eine digitale ID für die Schweiz lancieren. Die Post und die SBB arbeiten ebenfalls an einer ID. Droht ein neuer Clinch wie bei Paymit und Twint?
Die Credit Suisse und die UBS wollen elektronische Bankdienstleistungen vereinfachen. Dafür entwickeln sie gemeinsam mit Swisscom einen elektronischen Identitätsnachweis für die Schweiz. Gleichzeitig arbeiten auch die Post sowie die SBB an einer digitalen ID. Die Situation ähnelt derjenigen beim Start von Paymit, Tapit und Twint: Grosse Player im kleinen Schweizer Markt entwickelten jeweils eine eigene Lösung für Mobile Payment. Im vergangenen Jahr besannen sich PostFinance, Six, Swisscom, UBS & Co. eines Besseren: Sie spannten zusammen und integrierten alle Funktionen in ein gemeinsames Twint.
An der Konferenz «Finance 2.0» am Dienstag in Zürich kündigten sowohl SwissSign-Chef Urs Fischer als auch UBS-Manager Andreas Kubli jeweils eine digitale Identitätslösung für die Schweiz an. Zu beiden Anwendungen gibt es bereits professionelle Werbevideos, diverse potenzielle Einsatzszenarien und Kalkulationen zu Einsparungen. Wie die tatsächlichen Implementierungen aussehen, erklärten aber weder Fischer noch Kubli.
Die Post-Tochter SwissSign scheint im Vorteil, startet sie doch nicht bei null. Ihre Lösung SuisseID ist seit fast sieben Jahren auf dem Markt. Der Erfolg hält sich jedoch in engen Grenzen. UBS & Co. könnten für die geplante «eID» auf den Authentifizierungslösungen für das E-Banking aufbauen. Eine generelle Identitätsanwendung liesse sich für einige 10 Millionen Franken realisieren, sagte Kubli. Dem stünde ein Umsatzpotenzial von 50 Millionen Franken gegenüber. Die Rechnung würde aufgehen.
Um doppelte Investitionen in ähnliche Technologien zu vermeiden, sollten die Anbieter aber von Beginn an zusammenspannen. Auf der Bühne der «Finance 2.0» herrschte zwischen den vermeintlichen Wettbewerbern bemerkenswerte Einigkeit: «Es sollte eine einheitliche Schweizer Lösung für die digitale Identität geben», sagte Fischer. UBS-Manager Kubli stimmte ein: «Wir wollen ein zweites Paymit/Twint vermeiden und Ressourcen sparen.» Die grösste Herausforderung für die Lancierung einer digitalen Schweizer ID verorteten beide Manager dann auch woanders: Die Bürger, Unternehmen sowie Behörden müssten für sinnvolle Anwendungen der elektronischen Identität gewonnen werden. Dieses Problem ist gross genug, bestätigte auch Gastredner Vincent Jansen vom niederländischen Start-up Innopay. In seiner Heimat buhlen aktuell vier digitale IDs (DigiD, EHerkenning, idensys, iDIN) um die Gunst der rund 17 Millionen Bürger.
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Twint als letzter Strohhalm
Thierry Kneissler, Gründer und CEO von Twint, weiss sich in der komfortablen Situation, dass seine Lösung von allen grossen Playern der Schweizer Finanzindustrie unterstützt wird. Seitdem die Wettbewerbskommission Weko im September letzten Jahres der Fusion von Paymit und Twint zugestimmt hat, konnten er und sein Team arbeiten. Das neue Twint werde wie geplant im April lanciert, sagte Kneissler an der «Finance 2.0». Damit widersprach er einer Aussage von Twint-Verwaltungsratspräsident Jürg Weber, der zuletzt von weiteren Verzögerungen gesprochen hatte.
Kneissler berichtete von sechs Banken, die noch im ersten Halbjahr eine Twint-App lancieren werden: Credit Suisse, Raiffeisen, PostFinance, UBS sowie die Waadtländer und Zürcher Kantonalbanken. Zusätzlich werde es eine eigenständige Twint-App geben. Anschliessend würden weitere 32 Banken noch Apps oder Bezahlfunktionen anbieten. Auf der Händlerseite seien neben Coop auch alle anderen grossen Detailhändler dabei. Das Migros-Logo war in Kneisslers Präsentation zwar zu sehen, da ein prinzipielles Bekenntnis des Grossisten zu Twint existiert. Jedoch erneuert die Migros zusammen mit dem Lieferanten 4POS aktuell ihre rund 12'500 Kassensysteme, was allenfalls zu Verzögerungen bei der Einführung von Mobile Payment führt.
Banken müssen Kundenschnittstelle öffnen
Den Detailhändlern könnte in der Finanzwelt von morgen eine neue Rolle zukommen. Hintergrund ist die Vorschrift «PSD2» (Payment Services Directive 2) der EU, die Banken verpflichtet, Dritten den Zugriff auf Kundenkonten zu gewähren. In der Europäischen Union tritt die Direktive per Januar 2018 in Kraft, sagte Thomas Ruck, Managing Director von Accenture Digital. Über die Umsetzung von «PSD2» in der Schweiz sei aber noch nicht entschieden.
Damit drohen zumindest den EU-Banken nach 2018 herbe Verluste: «Banken riskieren es, bis zu 40 Prozent ihrer Umsätze zu verlieren», sagte Ruck. Denn durch den direkten Kontozugriff von Onlineshops oder elektronischen Bezahldiensten könnten Einkäufe oder Transaktionen ganz ohne den Intermediär – die Bank – geschehen. Zum Beispiel könnte der Preisvergleichsdienst Comparis registrierten Benutzern einen Service anbieten, der eine Ware automatisch kauft, wenn ein festgelegter Preispunkt unterschritten ist. Ein anderes Beispiel: Digitec bietet seinen Kunden für kostspielige Heimelektronik einen Kredit an und wickelt ihn per Mausklick ab. Oder: Im Jelmoli-Warenhaus bekommen Kunden bei Kartenzahlung personalisierte Rabatte aufgrund der Banktransaktionen oder des historischen Warenkorbs. Der Accenture-Experte wusste von diversen weiteren Szenarien, die alle eins gemeinsam haben: Die Banken verlieren die Visibilität.
Die Schweizer Finanzwirtschaft nimmt die Herausforderungen durch die Digitalisierung und Technologie durchaus ernst. Das lässt sich allein an den Teilnehmerzahlen der «Finance 2.0» ablesen: Die Konferenz war mit über 420 Gästen erneut ausverkauft, sagte Mitveranstalter Rino Borini dem PCtipp. Ihn freute besonders, dass auch die neuen Zahlungsoptionen gut angenommen wurden: Immerhin sechs Eintrittskarten wurden mit Bitcoins gekauft.
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