Kommentar 11.08.2006, 10:30 Uhr

Das Freitagsbit: Realitätsmaschinen

Die WWKolumne
Ich denke, also bin ich. Das berühmte Dictum des Philosophen René Descartes muss wohl neu formuliert werden. Ich google, also bin ich. Die Suchmaschine bestimmt immer stärker unser Denken. Der outgesourcte Rationalismus führt dazu, nicht länger auf die Kraft und Logik der eigenen Intelligenz zu vertrauen, sondern Google die Bildung der Realität zu überlassen.
Somit sind Suchmaschinen für totalitäre Systeme das Zensurmittel der ersten Wahl. Human Rights Watch (HRW) kritisiert in einem neuen Bericht [1], westliche Firmen - die ihren Erfolg der Meinungsfreiheit verdankten - trügen Mitschuld an der Zensur in China und würden die Rolle des Zensors übernehmen.
Sich ein Bild von der Realität zu machen, wird immer schwieriger. Sogar Bilder werden manipuliert, wie der Krieg im Libanon beweist [2]. Die Realität aus dem Photoshop - wie die Trefferliste einer Suchmaschine eine gesteuerte Realität.
Deshalb müssen wir das Denken neu lernen. Einen inneren virtuellen Menschen entwickeln, der analysiert und einordnet, was andere gedacht und in den virtuellen Raum gestellt haben. Und sein Bewusstsein fortwährend mit dem Bewusstsein abgleichen, das Auge, Ohr und Hand mit Realität speisen.
Vielleicht ist es aber schon zu spät und aus dem Homo sapiens ist bereits der Homo manipulensis entstanden.
Blind für die Wirklichkeit würden wir es nie bemerken.



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