News 22.06.2018, 09:14 Uhr

Streit um Facebook-Konto: BGH vor Grundsatzurteil

Wann muss Facebook den Zugriff auf ein Benutzerkonto gewähren, dessen Inhaber verstorben ist? Diese Frage wird der deutsche Bundesgerichtshof mit einem Grundsatzurteil klären müssen.
Im Streit um Zugang der Eltern zum gesperrten Facebook-Konto ihrer toten Tochter bahnt sich ein Grundsatzurteil zur Vererbbarkeit digitaler Inhalte an. Die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe signalisierten in der Verhandlung am Donnerstag, dass für sie die zentrale Frage sein wird, ob das digitale Erbe dem analogen gleichzustellen ist – also ob Erben Chat-Nachrichten und E-Mails genauso lesen dürfen wie Briefe. Das Urteil soll am 12. Juli verkündet werden. (Az. III ZR 183/17)
Mutter und Vater einer 15-Jährigen, die 2012 vor eine U-Bahn gestürzt war, können damit wieder hoffen. Zuletzt hatte ihnen das Berliner Kammergericht unter Verweis auf das Fernmeldegeheimnis den Zugang verwehrt. Das ist für den BGH-Senat aber nicht der springende Punkt.
Die Eltern leben seit Jahren in Ungewissheit, ob es ein Suizid war oder ein Unglück. Von den privaten Inhalten der Facebook-Seite versprechen sie sich Hinweise. Sie haben nach eigener Aussage zwar das Passwort, können sich aber nicht anmelden, weil Facebook das Profil im sogenannten Gedenkzustand eingefroren hat. Die Seite ist seither noch für alle Kontakte der Verstorbenen zur Erinnerung erreichbar. Sich einloggen und etwas ändern kann aber niemand mehr.

Freigabe der Konto-Inhalte kommt nicht infrage

Facebook bekundet Mitgefühl mit der Familie. Die Freigabe der Konto-Inhalte kommt für den US-Konzern aber nicht infrage. Man müsse «sicherstellen, dass der persönliche Austausch zwischen Menschen auf Facebook geschützt ist», teilte ein Sprecher nach der Verhandlung mit. Für Facebook gehen die anderen Nutzer vor: Freunde des Mädchens hätten darauf vertraut, dass private Nachrichten privat bleiben.
Die Rechtslage ist unklar. Denn der kleinste Teil des digitalen Erbes befindet sich – wie eine Schachtel Briefe oder ein Tagebuch – beim Verstorbenen daheim auf einem Datenträger. Was mit den vielen E-Mails, Chat-Protokollen oder Fotos passiert, die auf einem Rechner im Internet («Cloud») oder auf einem Server liegen, ist nirgendwo eindeutig geregelt. Eine gesetzliche Präzisierung, wie sie der Deutsche Anwaltsverein schon vor Jahren gefordert hat, ist ausgeblieben. Ein höchstrichterliches Urteil würde für Klarheit sorgen.
Aufseiten von Facebook warnte BGH-Anwalt Christian Rohnke davor, am «besonderen menschlichen Fall» allgemeine Fragen zu beantworten. Teenager tauschten auf Facebook intime Details aus: Wer geht mit wem? Wer schläft mit wem? Wer hasst wen? «Auch Kinder haben ein Interesse daran, dass Eltern nicht alles erfahren», gab er zu bedenken.

Generelle Bedenken der Richter

Der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann liess allerdings Zweifel erkennen, ob das Vertrauen, dass niemand mitliest, in einem sozialen Netzwerk wirklich gerechtfertigt sei. So hätten sich die Eltern schon zu Lebzeiten des Mädchens bei dessen Konto anmelden können. Die Facebook-Richtlinien zum «Gedenkzustand» halten die Richter nicht für bindend, weil sie sich nicht in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern in der Hilfe finden. Sie äusserten auch generelle Bedenken.
Für den BGH-Anwalt der Eltern, Peter Rädler, gibt es im Ergebnis keinen Unterschied zwischen Inhalten auf Papier und solchen im Netz: «Rechte an Daten vererben sich wie Rechte an Sachen», sagte er.



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