News 25.02.2013, 14:08 Uhr

Datenschutzskandal beim Nachrichtendienst

Der Chef des Schweizer Geheimdiensts, Markus Seiler, könnte kurz davor stehen, seinen Job zu verlieren. Grund: er hat Personendaten illegal abspeichern lassen.
Update, 17:30 Uhr:
Der NDB hat sich bei uns mit einer Stellungnahme gemeldet. Diese haben wir zuerst nicht eingeholt, da nur aus den Artikeln in der «SonntagsZeitung» und dem «TagesAnzeiger» zitiert wurde, ausschliesslich des letzten Abschnitts, der als Kommentar hätte bezeichnet werden müssen.
Die Stellungnahme des NDB:
«Die Unterscheidung In-/ Auslanddaten erfolgt nur dann, wenn eine Information einen starken Bezug zum In- und Ausland aufweist und sowohl nach ZNDG oder BWIS hätte erhoben werden können. Mit dieser zusätzlichen Triage wird sichergestellt, dass die strengeren Auflagen des BWIS für alle Personendaten zur Anwendung gelangen, die einen überwiegenden Bezug zum Inland aufweisen.
In den beiden Ablagesystemen ISIS (Datenablagesystem Innere Sicherheit) und ISAS (Datenablagesystem Äussere Sicherheit) sind rund hundert Einträge doppelt abgelegt, das sind rund 0,2 Promille des ISAS-Datenbestandes. Es handelt sich also um absolute Ausnahmefälle, die intern zuerst beantragt, von der Qualitätssicherung des NDB geprüft und bewilligt werden müssen. Dabei muss der Bezug zum Inland und zum Ausland so stark sein, dass ein Doppeleintrag nötig ist. Die Doppeleinträge werden zudem regelmässig von der Qualitätssicherung des NDB in beiden Datenablagen nach den strengeren Bearbeitungsvorgaben gemäss BWIS überprüft.
Als fiktives Beispiel aus dem Proliferationsbereich kann der Fall einer Schweizer Firma, die Dual-Use-Güter ins Ausland exportiert, also Güter, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden können.
Da wir zu Zeit noch keine Analyseplattform haben, die auf beide Systeme zugreifen kann, sind diese Doppeleinträge noch bis Ende 2013 notwendig.
Bis zur Inbetriebnahme einer gemeinsamen Analyseplattform, kann es für Zwecke der übergreifenden Auswertung und Lagebeurteilung gemäss Art. 3 Abs. 1 ZNDG nötig sein, einen Bericht ausnahmsweise sowohl im ISIS wie auch ISAS zu erfassen.
Mit der Ablösung des ISIS im Rahmen des Projektes IASA NDB werden die Daten Ende 2013/Anfang 2014 vollumfänglich ins neue ISIS migriert werden. Nach der Migration wird es keine Personendaten mit Bezug zum Inland mehr im ISAS geben."
Ursprünglicher Artikel:
«Geheimdienst umgeht Gesetz» titelt die «SonntagsZeitung» in ihrer gestrigen Ausgabe. Scheinbar hat sich Markus Seiler, Direktor des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB), höchst fahrlässig verhalten, was den Umgang mit Personendaten betrifft. So soll Seiler vor zwei Jahren angeordnet haben, Personendaten aus dem Inland in der Auslandabteilung zu speichern, obwohl diese deutlich weniger streng reglementiert ist. Sein Vorteil: diese Daten können dadurch viel länger gespeichert und problemlos ans Ausland weitergegeben werden, schreibt die «SZ».
Schon wieder ein IT-Skandal im Schweizer Geheimdienst also. Im vergangenen Herbst klaute ein Informatikmitarbeiter des Bundes brisante Daten, um sie an ausländische Staaten zu verkaufen. Er wurde geschnappt, weil ein «behördenexterner Hinweis» eingegangen war. Der Fall nun ist allerdings noch wesentlich brisanter, weil es sich nicht um die Aktion eines Einzeltäters handelt, sondern diverse Personen vom Vorfall wussten, da diese gesetzwidrige Handlung in einem offiziellen Dokument festgehalten wird. Seiler hat am 23. Dezember 2010 per Unterschrift die Weisung erlassen, eine Doppelablage zuzulassen. Dies obwohl die Geschäftsprüfungsdelegation (GDPel) im Sommer 2010 in einem Brief an Verteidigungsminister Ueli Maurer schrieb, dass die «Zuweisung einer Information exklusiv an eine der beiden Datenbanken zu erfolgen habe.» Und festhielt: «Anderslautende Vorgaben in der Kriterienliste könnten nämlich dazu führen, dass die strengen Bearbeitungsregeln (Kontrollen, Löschfristen) des BWIS unterlaufen würden».
Das Gesetz gebrochen
BWIS steht für das Bundesgesetz über die Wahrung der Inneren Sicherheit und besagt, dass sich der NDB im Inland nur nach strengen Regeln Informationen beschaffen darf, wie Staatsrechtsprofessor Markus Schefer gegenüber der «SonntagsZeitung» sagt. Den gleichen Regeln unterliegt die Inlanddatenbank, in welcher die gewonnenen Informationen ausschliesslich abgespeichert werden dürfen.
Auf Anfrage des «TagesAnzeiger» gab der NDB an, dass «lediglich 0,2 Promille der Informationen der Auslanddatenbank auch in der Inlanddatenbank verzeichnet seien». Dies würde rund 100 Einträgen entsprechen, bei welchen es sich um «absolute Ausnahmefälle» handle.
Information
Aber auch wenn es nur ein einziger Fall wäre, es wäre einer zu viel. Denn Gesetz ist Gesetz. Und fast noch schlimmer: Der Geheimdienst ist auf das absolute Vertrauen seiner Mitbürger angewiesen, da praktisch keine seiner Tätigkeiten jemals veröffentlicht wird. Dass dieses Vertrauen so missbraucht wird, muss personelle Konsequenzen nach sich ziehen. Ansonsten ist die Behörde nicht mehr glaubhaft.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



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