Vlogging-Systemkamera
13.07.2023, 07:15 Uhr
Sony ZV-E1 im Test
Nach der Vlogging-Kamera für Einsteiger lanciert Sony auch noch ein Modell für gehobene Ansprüche. Die ZV-E1 bietet Vollformat, ist Video-first und will einfach zu bedienen sein.
Beginnen wir mit dem Kerngeschäft der ZV-E1: Vlogging. Dafür notwendig sind einige Grundlagen: Solide Videofunktionen, ein drehbares Display, einfache Bedienung und eine gewisse Kompaktheit. Die ZV-E1 erfüllt alle diese Anforderungen, wobei das mit der Kompaktheit natürlich relativ zu sehen ist. Im Vergleich zu einem Smartphone oder einer Canon V10 ist die ZV-E1 natürlich noch immer ziemlich gross und schwer, für eine Vollformat-DSLM hingegen überhaupt nicht. Das ist nun mal eine der Regeln der Videografie: Wer bessere Bildqualität will, muss am Bizeps arbeiten. Viel kompakter geht eine Vollformat-Kamera aber nicht, da hat Sony ganze Arbeit geleistet.
Wie kompakt das gesamte Gerät dann wird, hängt auch zu einem guten Teil vom Objektiv ab. Für Vlogging bieten sich besonders weitwinklige Objektive an, da man sich damit einfach selbst filmen kann, und weniger stark auf die Tiefenunschärfe achten muss. Unser Testgerät ist mit dem FE 20 mm ƒ/1.8 bestückt, einer exzellenten, wenn auch nicht ganz leichten Festbrennweite für cineastisch veranlagte Vlogger. Dazu später mehr.
Was die Videofeatures angeht, ist die ZV-E1 nicht nur äusserlich auf Bewegtbild optimiert, sondern bietet auch im Inneren viel Auswahl. 4K-Filme mit 60 FPS sind kein Problem. Mit einer genügend schnellen Speicherkarte ist das sogar in 10Bit und mit 4:2:2-Farben möglich. Per Firmware-Update kann die Kamera sogar um eine 4K120-Funktion erweitert werden. Damit werden Zeitlupen in UHD auch im Heimgebrauch richtig einfach.
Bedienung & Ausstattung
Bei der Bedienung hat Sony so weit wie möglich vereinfacht. Der ZV-E1 fehlen einige Bedienelemente der grösseren Geschwister, ohne aber die Grundfunktionalität allzu sehr einzuschränken. Als Vlogging-Kamera liegt der Fokus primär auf Video, was sich auch in der Bedienung spiegelt. Typische Foto-Annehmlichkeiten wie ein Fokus-Joystick oder ein digitaler Sucher fehlen, weil sie schlicht nicht für die primäre Funktion der Kamera gedacht sind.
Dafür gibt es Videofeatures wie eine interessante Zoom-Wippe, die man sonst von günstigen Kompaktkameras her kennt. Damit lässt sich der Zoom von kompatiblen Objektiven mit einer elektronischen Wippe steuern, was besonders geschmeidige Bildbewegungen ermöglicht. Wer nichts mit der Wippe zu tun haben will: Sie befindet sich am Auslöser für Fotos und kann beim Filmen problemlos ignoriert werden.
Die meisten Bedienelemente sind eher klein gehalten, allerdings nicht so winzig wie bei der RX100-Serie. Man muss hier nicht alle Tasten mit dem Fingernagel drücken, sondern erwischt relativ bequem ans Ziel. Dazu gibt es ja noch das Touch-Display, mit dem die Kamera ebenfalls komplett bedient werden kann. Wie üblich, ist das Sony-Menü ein Fall für sich. Sony-Kenner kommen damit klar, alle anderen müssen leiden. Bei den komplexen Kameras von heute ist es auch wirklich nicht leicht, ein übersichtliches, und dennoch umfassendes Menü anzubieten. Immerhin: Sony bietet viele Funktionen in Schnellzugriffs-Menüs an, für die man nicht ins Hauptmenü selbst muss. Tipp: Falls Sie gut Englisch können, ist die englische Version des Menüs meiner Meinung nach leichter zu verstehen, da weniger Wortabkürzungen vorkommen. Im deutschsprachigen Menü sind leider viele Begr. abgek. und div. Opt. nur schwierig zu Verst. Das kann Sony nicht einmal auf die Grösse der Kamera schieben, denn das 3-Zoll-Display ist sonst auch nicht anders.
Trotz der kompakten Bauweise sind alle wichtigen Anschlüsse vorhanden. HDMI (Typ D), USB-C und separate 3,5-mm-Klinken für Kopfhörer und Mikrofon sind auf der linken Seite verbaut. Der kleine HDMI-Anschluss ist dabei ein Wermutstropfen, da dieser nicht so viel Flexibilität beim Aufnehmen auf externe Recorder bietet, wie es ein grosser HDMI-Anschluss tun würde. Zuletzt gibt es einen einzelnen SD-Kartenslot. Der bei Fotokameras beliebte zweite SD-Slot macht bei Videos weniger Sinn, da üblicherweise die Rechenleistung nicht fürs Duplizieren reicht und der Overflow nicht ganz so einfach geregelt werden kann wie bei Fotos.
Ansonsten gibt es etwa übliche Kost: ein ordentliches 3-Zoll-Touch-Display, wenn auch mit eher mässiger Auflösung und Helligkeit. Dafür ist es frei bewegbar und als Front-Monitor einsetzbar. Zuletzt noch ein Hotshoe auf der Oberseite und gleich daneben ein eingebautes Mikrofon mit ordentlicher Qualität. Für besseres Audio ist ein externes Mikrofon aber empfehlenswert.
Sensor & Bildqualität
Beim Sensor wird der Fokus auf Video so richtig deutlich. Sony verbaut einen 12-Mpx-Sensor. Vor zehn Jahren hätte man bei dieser Aussage noch keine Miene verzogen. Heutzutage sind 12 Mpx aber doch eher wenig. Für Video braucht es aber auch nicht mehr. UHD braucht mit 3840 × 2160 rund 8,3 Mpx und hat somit sogar noch Luft nach oben. Geht man davon aus, dass die ZV-E1 fotografisch grösstenteils für Thumbnails und Bildeinschübe in Video-Inhalte gebraucht wird, ergibt die niedrigere Auflösung Sinn. Ein 48-Mpx-Sensor hätte hier wenig gebracht, aber deutlich mehr gekostet. Ein weiterer Vorteil der niedrigeren Auflösung ist die schnelle Lesezeit. Durch die kleinere Pixelzahl wird der Sensor der ZV-E1 sehr schnell ausgelesen, was nicht nur die rasanten Bildraten ermöglicht, sondern auch den Rolling-Shutter-Effekt vermindert. Das heisst: Merkwürdige Verschiebungen bei schnellen Drehbewegungen sind stark reduziert. Wieder eine Entscheidung, die Sony spezifisch für Vlogger getroffen hat. Der grösste Nachteil der kleineren Auflösung ist der fehlende Raum nach oben für gewisse Features. Beispielsweise verliert eine UHD-Aufnahme mit elektronischer Stabilisierung schnell an Details. Ebenfalls gibt es keine Oversampling-Optionen wie bei vergleichbar teuren Kameras, mit denen ebenfalls mehr Detailgrad möglich ist.
Die Frontansicht in diesem Video ist mit der ZV-E1 aufgenommen:
Ebenso die Kameraaufnahmen in diesem Video:
Wer dann die Footage der ZV-E1 am grossen Bildschirm ansieht, vergisst sowieso gleich, welche Zahlen im Datenblatt stehen. Die Kamera liefert Details ohne Ende, akkurate Farben und eine starke dynamische Reichweite. Dank einer enormen nativen ISO-Spannweite von 80 bis 102'400 kann die ZV-E1 mit praktisch jeder Lichtsituation umgehen. Ja, einige der Konkurrenten von Panasonic und Co. liefern noch schönere Footage zu einem vergleichbaren Preis. Aber keiner davon tut es in einem so kompakten Gehäuse.
System & Leistung
Als Vorreiter bei den spiegellosen Systemkameras hat Sony eine ausgezeichnete Position, was das gesamte System angeht. Das Angebot an Objektiven und Zubehör ist so breit wie kaum sonst wo. Da ist für praktisch jeden Anwendungsbereich etwas dabei. Auch für Vlogger. Dem unserem Testgerät beigelegten Objektiv widmen wir gleich noch einen eigenen Abschnitt. Aber auch sonst ist eine Vielzahl an weitwinkligen Festbrennweiten und Zoom-Objektiven für die ZV-E1 verfügbar. Interessant sind hierbei vor allem einige der kompakten Pancake-Linsen, mit denen die ZV-E1 so richtig leichtgewichtig wird. Aufpassen muss man als ungeübter Filmer ein wenig mit der Tiefenunschärfe, die beim grossen Vollformatsensor weniger nachgiebig ist wie man sich das eventuell von einer Kompaktkamera oder vom Smartphone gewöhnt ist. Wobei: Der Autofokus der ZV-E1 ist äusserst zuverlässig und beherrscht auch diverse Tracking-Modi. Auch das ist für Vlogging äusserst praktisch.
Wer gerne längere Vlogs aufnimmt, muss sich mit der ZV-E1 nicht besonders um die Akkulaufzeit sorgen. Der standardmässig verwendete Akku NP-FZ100 hält gut über zwei Stunden durch. Laut CIPA-Rating sind 570 Bilder mit einer Akkuladung möglich. Die strengen CIPA-Werte werden jedoch meistens klar übertroffen und die durchschnittliche ZV-E1 wird wohl lange brauchen, um überhaupt auf 570 Bilder total zu kommen. Was bleibt: Der Akku gehört zu den besten im Business.
Objektiv Sony FE 20 mm ƒ/1.8 G
Wie versprochen noch ein paar Worte zum Objektiv, mit dem wir die ZV-E1 getestet haben. Dabei handelt es sich um das FE 20 mm ƒ/1.8 G, das Sony uns mitgeschickt hat. Ein Kit ist bisher in dieser Form nicht erschienen. Beide Geräte zusammen würden aber etwas über 3000 Franken kosten. Für Vlogging ist das FE 20 mm ƒ/1.8 eine sehr interessante Wahl. Anders als die meisten Kit-Objektive, die vor allem maximale Flexibilität auf Kosten von Qualität feiern, handelt es sich hier um einen Spezialisten. Die 20 mm sind weit genug, um sich selbst problemlos zu filmen, und mit der maximalen Blendenöffnung von ƒ/1.8 sind nicht nur Aufnahmen im Dunkeln machbar, sondern auch wunderschöne Bokeh-Effekte (verschwommener Hintergrund). Allerdings fehlt dem Objektiv die Flexibilität eines Zoom-Objektives.
Da kommt es darauf an, welche Inhalte Sie erstellen möchten. Als einfache Walkaround-Kamera, mit der Sie einfach auf das nächste Subjekt draufhalten möchten, ist das Objektiv nicht ideal. Mit einer Festbrennweite muss man immer ein wenig mehr für den perfekten Shot tun als mit einem Zoom-Objektiv. Dafür bekommt man bessere Footage. Einerseits wegen der einfacheren Optik, andererseits weil einen das Objektiv dazu zwingt, sich mehr Gedanken zu machen. Somit eignet sich das FE 20 mm ƒ/1.8 vor allem für Vlogger mit einer cineastischen Ader.
Das Objektiv ist perfekt für starke Selbstaufnahmen und spektakuläre B-Roll, wenn man sich ein wenig Mühe gibt. Das steht zu einem gewissen Grad im Gegensatz zur ZV-E1, die Content-Erstellern die Arbeit vereinfachen möchte. In dieser Kombo wird nur der technische Aspekt des Filmens vereinfacht. Artistisch muss man sich selbst darum kümmern. Wer lediglich die Umgebung abbilden möchte, wählt lieber ein Zoom-Objektiv. Wer sich aber auf eine etwas künstlerische Reise begeben möchte, liegt mit dem FE 20 mm ƒ/1.8 goldrichtig.
Tipp: Probieren Sie bei Festbrennweiten unbedingt ein paar Modelle aus. Nicht jede Brennweite hat den richtigen Look für Ihren Geschmack oder die richtige Weite für Ihre Armlänge.
Technisch und qualitativ gibt es am FE 20 mm ƒ/1.8 rein gar nichts zu rütteln. Das Objektiv ist stark verarbeitet, und liefert ausgezeichnete Bildqualität für Videos und auch Fotos. Der schön klickende und absolut beschriftete Blendenring ist in der Bedienung eine besondere Freude. Für Vlogging ist das Gewicht an der oberen Grenze. Die Bildqualität ist das aber Wert.
Fazit
Die ZV-E1 ist eine Vlogging-Kamera für Feinschmecker. Die Kamera vereint ein simpel gehaltenes Bedienungskonzept mit hoher Bildqualität, einem kompakten Body und speziell auf Vlogger und Content-Ersteller zugeschnittene Features. Das meiste davon klappt bestens. Abstriche gibt es vor allem bei der Bedienung. Vor allem erfahrene Nutzer müssen zu oft auf Menüs zugreifen, um an spezifische Features zu kommen. Wer lieber einmal einstellt und sich dann aufs Filmen konzentriert, ist hier aber genau richtig und erhält beste Filmqualität in einem erstaunlich kompakten Format. Mit einem guten Objektiv davor ist die ZV-E1 eine ausgezeichnete Kamera, nicht nur für Vlogger, sondern für eine breite Auswahl an Content-Erstellern. Ja, Vloggen geht auch günstiger, aber kaum schöner.
Testergebnis
Kompaktheit, Autofokus, Akkulaufzeit
Bedienung
Details: 12.1 Mpx Vollformat-Sensor, IBIS, ISO 80-102'400 (nativ), 4K/120p (4:2:2 10bit, bis 600Mbps, mit FW-Update), FHD/240p, Touch-LCD, USB-C, HDMI Typ D, 2 × 3,5 mm Audio (Mic + Kopfhörer), 1 × SD, 483 g (mit Akku und SD-Karte)
Preis: Fr. 2390.- (nur Gehäuse), Fr. 867.- (getestetes Objektiv)
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