Test: Apple iPad Pro 12.9 Zoll (2021)

Der M1, der Mac und viele Fragezeichen

Bleiben wir noch ein wenig beim Vergleich mit den aktuellen Macs. Das iPad Pro ist das erste seiner Art, das mit Apples kleinem Wunderwerk ausgestattet ist, dem M1-Hauptprozessor. Obwohl die CPU nur bei den Einsteiger-Modellen zum Einsatz kommt, schüttelte sie die ganze Prozessor-Branche durch – und deklassierte so manche Intel-CPU, ohne dabei auch nur richtig warm zu werden. Die sehr hohe Effizienz und die geringe Wärme erlauben ein lüfterloses Design und sorgen automatisch für eine lange Batterielaufzeit.
Kurzum, mit dem Einzug des M1 herrscht zwischen Macs und dem iPad Pro der Gleichstand. Die CPU im iPad Pro ist übrigens mit 4 Performance-Kernen und 4 Effizienz-Kernen bestückt; die Modelle mit 128 GB, 256 GB oder 512 GB Speicherplatz sind ausserdem mit 8 GB RAM bestückt, jene mit 1 TB oder 2 TB Speicherplatz mit 16 GB RAM. Aber das sei nur am Rande erwähnt, da solche technischen Spezifikationen eher uninteressant sind – auch deshalb, weil sie sich durch den Anwender nicht beeinflussen lassen.
Und jetzt zu etwas ganz anderem.

Kraft ist nichts ohne Kontrolle

«Power is nothing without control»: So lautete der Slogan der legendären Pirelli-Kampagne mit Carl Lewis in Pumps. Und just diese kreative Meisterleistung drängt sich bei der Betrachtung des iPad Pro ins Bewusstsein. Ja, das iPad Pro ist jedem anderen Tablet meilenweit voraus. Aber was bringt mir das? Wie kann ich diese enorme Leistung zu meinen Gunsten nutzen?
Unvergesslich: Carl Lewis mit wenig Bodenhaftung
Quelle: Pirelli / Screenshot
Wenn Apple vor der Presse seine Produkte präsentiert, wird natürlich nicht mit eindrucksvollen Beispielen gegeizt. Ich erinnere mich gut an die Pläne eines Flughafens mit zigtausend Segmenten, in die das iPad Pro 2018 butterweich hineingezoomt hat. Beim iPad Pro von 2020 wurde eine extrem komplexe Datei aus Affinity Designer herumgezeigt: das Wimmelbild einer Stadt, bei der die Vergrösserung eines Fensters zu einem neuen Bild führte, genauso komplex wie das vorherige. Und wirklich: Ich war zutiefst beeindruckt ob dieser Leistung!
Dieses Jahr standen hingegen die Unterschiede beim Display im Vordergrund, über die Leistung wurde kaum mehr ein Wort verloren. Sie ist einfach da, und zwar im Überfluss. Nur: Wer kann sie nutzen? Natürlich bin ich als Schreiberling die denkbar schlechteste Referenz. Gebt mir ein anständiges Display, eine gute Tastatur und Bear, damit ich das Gros meiner Arbeit in einer digitalen Wohlfühlzone erledigen kann.
Bear als High-Tech-Schreibmaschine: vielleicht ein wenig unter der Würde eines iPad Pro, aber diese Einfachheit fühlt sich auch einfach gut an
Quelle: PCtipp.ch
Doch wie viele Leute zeichnen Flughäfen oder Bilder, die in ihrer Komplexität an Apfelmännchen erinnern? Warum kann ich am iPad Pro meine iPhone-Filme in 4K-Filme mit 60 fps nur mit 30 fps exportieren (es sei denn, ich weiche auf eine andere Lösung wie LumaFusion aus)? Weshalb wirkt das Dateisystem trotz der App «Dateien» wie eine Prothese? Weshalb kann ich 100 Fotos nicht im Hintergrund exportieren, während im Vordergrund eine E-Mail beantwortet oder ein wenig gespielt wird? Fragen über Fragen.
Apple wirbt mit LumaFusion – denn iMovie, das hier eigentlich gezeigt werden sollte, kann schon lange nicht mehr mithalten
Quelle: Apple Inc.
Die Leistung ist unbestritten da – aber sie lässt sich mit dem aktuellen iPadOS nicht kontrollieren. Genauer: Das iPad Pro wird durch das aktuelle iPadOS ausgebremst. Dieser Vorwurf ist zwar nicht neu – aber mit dieser Generation herrscht zum ersten Mal im Internet ein breiter Konsens darüber, dass etwas passieren muss, damit das iPad Pro seine Glaubwürdigkeit nicht verliert.
Natürlich gibt es viele Leute, die mit dem iPad Pro hervorragend arbeiten können. Das ist meistens dann der Fall, wenn es sich um eine vertikale Anwendung handelt, die einen klar definierten Zweck erfüllt. Aber sobald mehrere Fenster ins Spiel kommen, Hintergrundprozesse ablaufen (sollten) oder Dateien aus vier Verzeichnissen zusammengekratzt werden müssen, wird es unschön. Dabei wäre dieses eindrückliche Gerät zu viel mehr fähig.

Ein unvermeidlicher Preisvergleich

Stellen wir einen Preisvergleich zu einem ähnlichen Mac-Modell an, denn der drängt sich hier geradezu auf.
Das iPad Pro wird mit bis zu 2 TB (!) Speicher angeboten. Wer das braucht, bezahlt auch den Preis dafür: 2469 Franken werden fällig; zusammen mit dem neuen Magic Keyboard zeigt die Zahl am Ende der Quittung 2838 Franken.
Ein MacBook Air mit 16 GB RAM und 2 TB SSD kostet hingegen nur 2229 Franken. Dafür fehlt zwar die Unterstützung für den Pencil, aber sonst kann das Gerät vieles besser: Doppelt so viele Thunderbolt-Anschlüsse, weniger Gewicht, das bessere Trackpad, eine stimmigere Bauweise … ich verstehe zwar, was die Leute am iPad Pro begeistert. Aber vor die Wahl gestellt, würde ich immer das MacBook Air bevorzugen – und das liegt daran, dass macOS einfach so viel besser und flexibler ist. Aber das kann bei Ihnen natürlich ganz anders aussehen, denn jeder von uns hat seine Gründe, um zu diesem oder jenem Gerät zu greifen.

Fazit

Das Verdikt ist einfach. Besser kann ein Tablet kaum mehr werden. Sie können sich ein beliebiges Thema herauspflücken und das iPad Pro wird Sie nicht enttäuschen: Display, Tempo, Form, Batterielaufzeit, Thunderbolt 4, 5G-Anbindung oder Wi-Fi 6 … hier fehlt es an nichts. Die Bestnote ist eine reine Formsache.
Es bleibt jedoch zu hoffen, dass Apple an der diesjährigen World Wide Developer Conference ein iPadOS zeigt, das dieser umwerfenden Hardware gerecht wird. Und weil die Keynote bereits am 7. Juni über die virtuelle Bühne geht, werden wir auf die Antwort nicht mehr lange warten müssen.

Testergebnis

Display, Tempo, mitgelieferte Software, Pencil-Unterstützung, Center Stage, Face ID
iPadOS 14 kann nicht mithalten

Details:  12,9”-Display mit Mini-LED Hintergrund-Beleuchtung, 2732×2048 Pixel bei 264 ppi, 120 Hz, P3-Farbraum, True Tone, 1600 Nits Spitzenhelligkeit (HDR), Face ID, Thunderbolt/USB 4 mit DisplayPort, 4 Lautsprecher, Fotos mit 12 Mpx, Video in 4K mit 60 fps, LiDAR-Scanner, Wi-Fi 6 (AX), M1-CPU, iPadOS 14

Preis:  ab Fr. 1199.– (nur Wi-Fi), ab Fr. 1369.– (Wifi + Cellular)

Infos: 


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