Jetzt offiziell in der Schweiz
08.06.2022, 10:30 Uhr
Test: Chromecast mit Google TV
Ein TV verdient nicht ewig das Prädikat «smart». Gegen den Zahn der Zeit hilft nur eine externe Aufrüstung, zum Beispiel mit dieser kleinen Google-Box.
Update: Der Google Chromecast mit Google TV und Fernbedienung kann nun auch offiziell in der Schweiz bestellt werden – zum Preis von 69.99 ist er im Google Store erhältlich. Folgend: Unser Test.
Vor dem Zeitalter der flachen Fernseher wurde eine neue Flimmerkiste ins Wohnzimmer gestellt, begleitet vom Wunsch, dass sich dieses Thema für die nächsten 10 bis 15 Jahre erledigt hat. Heute jedoch sind fast alle Fernseher «smart»: kleine Computer mit ihren eigenen Apps, um Streaming-Portale und andere Anwendungen auszuführen. Das führt leider auch dazu, dass Smart-TVs genauso schnell veralten, wie konventionelle Computer – wenn nicht sogar schneller.
In solchen Fällen springen externe Geräte in die Bresche. Sie kommen mit einem eigenen App-Store, der über Jahre hinweg immer die neusten Apps bietet und dem Zahn der Zeit erfolgreicher trotzen. Ein typisches Beispiel ist der Google Chromecast mit Google TV, wobei sich das «TV» in erster Linie auf das verbaute Android TV 10 bezieht, das für den Antrieb sorgt.
Der grösste Vorteil von Android TV ist die enorme App-Auswahl, und deshalb ist alles vertreten, was irgendwie mit Streaming und Fernsehen zu tun hat. Neben den grossen Streaming-Diensten warten hier unter anderem Play Suisse, yallo tv, Zattoo, ARTE, ZDF oder Teleboy. Auch Sunrise UPC TV ist dabei, das die Settop-Box für das Fernsehprogramm weitgehend ersetzen kann: ein ausgezeichnetes Argument, wenn der Chromecast im Ferienhaus oder im Wohnmobil eingesetzt wird.
Die riesige Auswahl an Apps ist ein grosses Plus für Android TV
Quelle: PCtipp.ch
Mustergültige Installation
Die Installation ist angenehm einfach. Sie bedingt allerdings ein iPhone oder Android-Smartphone mit installierter Google-Home-App. Die Box wird direkt über den HDMI-Stecker mit dem Fernseher oder Receiver verbunden. Die Stromzufuhr erledigt das mitgelieferte 5-Watt-Netzteil über USB-C.
Nach dem Einschalten führt ein Assistent durch die einzelnen Schritte, verbindet die Box mit dem Wi-Fi-Netz und installiert gleich auch die wichtigsten Streaming-Dienste. Die Fernbedienung wird ausserdem auf den Fernseher oder Receiver eingeschworen, sodass sie über HDMI-CEC die Lautstärke regelt und den Gerätepark ein- oder ausschaltet.
Die Einrichtung ist ein Klacks, bedingt aber die Google-Home-App
Quelle: PCtipp.ch
Auch das funktionierte im Test mit einem LG-Fernseher und einem Yamaha-Receiver einwandfrei. Nach wenigen Minuten und einem automatischen Firmware-Update präsentiert sich die Oberfläche von Android-TV.
An der Warenpräsentation gibt es nichts auszusetzen
Quelle: PCtipp.ch
Die Fernbedienung
Die Fernbedienung sieht auf den ersten Blick richtig schnuckelig und angenehm kompakt aus. Die Verarbeitung wirkt zwar nicht hochwertig, ist aber zu gut für ernsthafte Kritik. Im oberen Teil befinden sich das Navigationskreuz sowie eine Taste für die Sprachsteuerung mit dem Google Assistant. YouTube und Netflix haben ihre eigenen Tasten, doch weil die Streaming-Dienste Apple TV+ und vor allem Disney+ immer populärer werden, wirkt das ein wenig unfertig. Sehr angenehm ist die Reaktionsfreude: Die typischen Android-Menüs werden flüssig und ohne Ruckler durchwühlt.
Und damit haben wir alle positiven Eigenschaften durch. Die Defizite sind allerdings mindestens so zahlreich.
Die Kunststoff-Oberfläche ist so glatt, dass sie sich fast schon glitschig anfühlt. Die Fernbedienung vermittelt zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass man sie fest im Griff hat. Die Form ist so perfekt symmetrisch, sodass es reine Glückssache ist, ob beim blinden Greifen das richtige Ende nach vorne zeigt.
Sieht hübsch aus, aber schwächelt im Detail
Quelle: Google
Doch vor allem stellt sich die Frage, welcher geistige Tiefflieger die Lautstärke-Tasten klein und nahezu flächenbündig an der Stirnseite platziert hat, wo sie mit dem Zeigefinger quasi hinten rum gefunden werden müssen – oder mit einem Linkshänder-Daumen. Schliesslich gehören diese Tasten zu den wichtigsten überhaupt – aber die hier könnten genauso gut für die Selbstzerstörung des Gerätes gedacht und deshalb so konstruiert sein, dass sie auf keinen Fall versehentlich gedrückt werden. Tatsächlich sind es diese Tasten, die den Spass an der kleinen Box bereits in den ersten Minuten ein wenig dämpfen.
Google Assistant
Das verbaute Mikrofon ermöglicht die Steuerung mit dem Google-Assistant. Dazu wird die schwarze Taste gedrückt gehalten und der Wunsch geäussert. Bei einer Abfrage à la wie bäckt man Berliner erkennt der Assistant sofort, dass damit süsses Gebäck und nicht etwa Stadtbewohner gemeint sind und präsentiert die Resultate auf YouTube.
Ich bin ein Berliner!
Quelle: PCtipp.ch
Dabei gefällt vor allem, dass die Suche über alle Plattformen hinweg funktioniert: Eine Abfrage wie Zeige Science-Fiction-Filme erstreckt sich automatisch über YouTube und alle Dienste, bei denen man angemeldet ist, also auch über Disney+, Netflix und andere. Dabei werden diese Dienste bevorzugt, so wie es sich gehört. YouTube dient eher als Plan B. Leider werden ganz vorne auch jene Filme gezeigt, die von YouTube verkauft respektive vermietet werden.
Die Trefferquote variiert allerdings stark. So führte die Abfrage Zeige Bob’s Burgers zu sinnlosen Resultaten, weil die Wörter nicht erkannt wurden. Nach der Anmeldung bei Disney+, wo die Serie läuft, wurden hingegen sofort die gewünschten Treffer angezeigt.
Trotzdem ist die Erkennung gefühlt eher mau und reicht zum Beispiel nicht an die Spracherkennung der TV-Box von Sunrise UPC. Ich halte normalerweise grosse Stücke auf den Google Assistant, aber hier hapert es ein wenig zu oft, um bedingungslos Spass zu machen – und zwar sowohl bei deutschen als auch bei englischen Anfragen. Vielleicht liegt es am Mikrofon? Vielleicht ist der Assistant mit den vielen Diensten überfordert? Wer weiss das schon. Aber nach kurzer Zeit ging ich dazu über, das gewünschte Material wieder eigenhändig aufzurufen, von Suchbefehlen in YouTube abgesehen.
Qualität der Wiedergabe
Einfach nur YouTube-Videos abzuspielen, gilt heute nicht unbedingt als technische Meisterleistung. Also stellt sich die Frage, wie sich die Box bei anspruchsvolleren Aufgaben schlägt. Auch hier kommt bereits der erste Vorbehalt: Leider funktioniert der Chromecast-Dongle nur über Wi-Fi 5 (AC), ein Ethernet-Anschluss fehlt – und das wird je nach Signalstärke zu einem Problem.
Die hohe Qualität von Disney+ eignet sich bestens, um dem Dongle auf den virtuellen Zahn zu fühlen
Quelle: PCtipp.ch
Wir testeten den Dongle unter besten Bedingungen, lies: Für das Internet stand eine 1-Gbit-Leitung zur Verfügung, während der netzstiftende Access-Point von Ubiquiti keinen halben Meter entfernt stand. Ein Speedtest zeigte im Mittel ein Download-Tempo von 160 MBit, mit einer relativ hohen Latenz von 21 Millisekunden. Das spielt allerdings nur bei Stadia eine Rolle, zu dem wir noch kommen.
Dieses Tempo reicht alleweil – wenn das Wi-Fi-Netz stark genug ist
Quelle: PCtipp.ch
Der Chromecast-Dongle unterstützt eine Wiedergabe in 4K bis hin zur Unterstützung von Dolby-Vision-HDR. Das klappte in unserem Fall ausgezeichnet. YouTube und andere Dienste funktionierten einwandfrei und ohne zu ruckeln. Dabei wurden die HDR-Möglichkeiten des LG-Fernsehers automatisch erkannt, doch wenn das bei einem anderen Gerät nicht der Fall sein sollte, lässt sich die Farbdynamik auch manuell festlegen.
Wenn der Fernseher nicht automatisch als HDR-fähig eingestuft wird, lässt sich das manuell anpassen
Quelle: PCtipp.ch
Plex
Mit dem Mediacenter-Client von Plex wurde einen Gang höher geschaltet, mit Filmmaterial, das vom NAS gestreamt wurde. Auch hier waren Filme in 4K mit Dolby Vision am Start, dieses Mal jedoch gewürzt und mit verschiedenen High-End-Audioformaten. Auch diese Dateien wurden klaglos abgespielt. Beim ersten Versuch offerierte Plex die Möglichkeit, den Ton direkt an den Receiver durchzuschleifen. So muss es sein, oder anders: alles kein Problem!
Der Plex-Client sieht als Mediacenter hinreissend aus; der Plex-Server läuft hingegen auf dem NAS
Quelle: PCtipp.ch
Und schliesslich wurden auch Filme aus dem iPhone 13 Pro tadellos via Plex vom NAS gestreamt. Sie wurden nicht nur in 4K und mit Dolby Vision gedreht, sondern auch noch mit einer Bildrate von 60 fps. Doch wie bereits erwähnt: Es herrschten beste Wi-Fi-Bedingungen; mit einem schwächelnden Netz kann sich die Situation ganz anders präsentieren.
Die Bonus-Informationen holt sich der Plex-Server aufgrund der Dateibezeichnung aus dem Internet
Quelle: PCtipp.ch
Google Stadia
Googles Spieledienst Stadia funktioniert auch über diesen Chromecast-Dongle – und nicht mehr nur über den Chromecast «Ultra», der Bestandteil des Starter-Kits ist. (Und so ganz nebenbei mit einem Ethernet-Anschluss kommt.) Auch Stadia funktionierte einwandfrei und es waren auch bei schnellen Games keine Ruckler auszumachen. Vor allem aber lassen sich neben dem mittelprächtigen Stadia-Controller auch der PlayStation-5-Controller und die Xbox-Controller mit Bluetooth (ab Xbox One) koppeln, was dem Thema ganz neuen Schwung verleiht.
Ein Highlight: der Xbox-Controller am Fernseher, um mit Stadia zu spielen
Quelle: PCtipp.ch
Stadia funktioniert also so gut, wie es Stadia zulässt. Für mich ist die Latenz zwischen der Controller-Eingabe und Reaktion auf dem Bildschirm immer noch etwas zu hoch; aber da ich der Einzige in der Familie bin, der sich daran stört, ist das wohl einer Überdosis an Pingeligkeit geschuldet. Dass Google für Stadia-Spiele hingegen Apothekerpreise verlangt, die zum Teil jenseits von Gut und Böse sind, ist weitgehend unbestritten. Aber das ist ein anderes Thema.
Die Oberfläche von Stadia präsentiert sich stark reduziert, weil die Käufe und die Verwaltung auf einem Mobilgerät abgewickelt werden
Quelle: PCtipp.ch
In der Zange
Das kleine, schmucke Google-Gerät wirkt auf den ersten Blick wie eine gute Idee zu einem attraktiven Preis. Doch Zweifel sind angebracht, denn die Box wird gleich von zwei Seiten bedrängt.
Auf der High-End Seite lauern Apple TV und Shield TV. Das aktuelle Apple TV 4K ist ab etwa 200 Franken zu haben und dürfte zurzeit das beste Gerät sein, wenn es um die Wiedergabe von Filmen in High-End-Formaten geht. Die Box ist so familienfreundlich, wie man es sich nur wünschen kann und bietet ebenfalls eine sehr grosse Auswahl an Apps im eigenen App Store, ganz zu schweigen von Apples Arcade, einem günstigen Spiele-Abo für die ganze Familie.
Für Cineasten vermutlich die beste Wahl: das Apple TV 4K
Quelle: Apple Inc.
Die Shield TV Pro von Nvidia ist für ca. 220 Franken zu haben. Sie arbeitet genau wie der Chromecast-Dongle mit Android TV. Darüber hinaus bietet sie jedoch einige Besonderheiten, wie die hervorragende Skalierung von niedrig aufgelöstem Material auf 4K oder die Unterstützung für Nvidias eigenem Game-Streaming-Dienst GeForce Now.
Shield TV bietet einen fantastischen Upscaler und empfiehlt sich vor allem für PC-Gamer mit GeForce Now
Quelle: Nvidia
Andererseits stehen heute in unzähligen Wohnzimmern leistungsfähige Settop-Boxen vom jeweiligen TV-Provider, die zwar nicht annähernd an die App-Auswahl von Android TV heranreichen, aber die wichtigsten Streaming-Apps ebenfalls bereithalten.
Und so schmelzen die Einsatzgebiete in den meisten Fällen nur so dahin, bis am Schluss nur noch das Ferienhäuschen, das Wohnmobil und der Bastelkeller übrigbleiben.
Fazit
Der Chromecast mit Google TV ist dann interessant, wenn ein betagter Fernseher aufgefrischt werden soll und die Wi-Fi-Verbindung stabil ist. Cineasten und PC-Spieler greifen jedoch vorzugsweise zu einer grösseren Box, während bei eher bescheidenen Ansprüchen keine grossen Vorteile gegenüber einer modernen TV-Settop-Box gegeben sind.
Als im Dezember 2021 dieser Test ursprünglich erschien, war der Chromecast mit Google TV in der Schweiz nicht über den offiziellen Google-Shop zu haben.
Testergebnis
Grösse, App-Auswahl, Unterstützung für Stadia sowie die Controller der Xbox und PS5
kein Ethernet, Fernbedienung
Details: 4K, HDR und Dolby Vision, HDMI, Wi-Fi 5 (AC), USB-C, EU-Version, inkl. Netzteil, Android TV 10
Preis: ca. 79 Franken
Infos:Nur via Import, etwa durch brack.ch
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