Tests 24.01.2013, 05:58 Uhr

Review: Philips Hue

Das neue Lichtsystem könnte unsere Wohnzimmer nachhaltig verändern. Was es in der Praxis taugt, haben wir auf Herz und Nieren getestet.
Unter technik-affinen Zeitgenossen ist es gerade in aller Munde: das «Hue»-System von Philips (ausgesprochen «Hiu», das englische Wort für «Farbton»). Das Starterkit besteht aus der Basisstation («Smartbridge») und drei LED-Lampen, die sich damit steuern lassen.
Das Starterkit (Bild: Apple)
Insgesamt lassen sich über die Smartbridge bis zu 50 Lampen steuern. Dabei dürfen nicht nur Hue-Modelle mitspielen, sondern auch die bekannten Living-Color-Leuchten ab der 2. Generation. Deren Einbindung ist jedoch alles andere als trivial, wie diese inoffizielle Anleitung von der Website EveryHue demonstriert.
Die Lampen werden also von der Smartbridge gesteuert und diese wird vom Benutzer über eine App kontrolliert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Apples iOS-Geräten. Die Android-App ist noch Beta, lässt sich aber trotzdem bei Google Play herunterladen.
Auch sonst lehnt sich Philips an Apple an, denn Hue wird exklusiv über den Apple Store vertrieben. Allerdings raten wir tunlichst davon ab, das System zum Beispiel in den USA zu beschaffen; im Gegensatz zu einer herkömmlichen Glühlampe lassen sich 110-Volt-Lampen nicht mit 220 Volt betreiben und umgekehrt.
Die Lampen und ihre Eigenheiten
Jede Lampe ist theoretisch in der Lage, 16,8 Millionen Farbtöne darzustellen. In der Praxis zeigt sich jedoch gleich, dass Blau- und Rottöne wesentlich intensiver leuchten als Gelb- und Grüntöne.
Jede Lampe lässt sich exakt steuern – sowohl in der Helligkeit als auch im Farbton
Gleichzeitig agiert jede Lampe als Repeater, falls das Signal der Basisstation zu schwach oder die Umgebung zu ungünstig ist, um ein entferntes Leuchtmittel direkt zu erreichen. Philips Hue stützt sich dabei auf den offenen ZigBee-Standard, sodass die Steuerung in Zukunft auch von anderen Systemen übernommen werden könnte.
Zurzeit sind nur Lampen mit dem bei uns üblichen E27-Sockel erhältlich, doch laut Philips sollen weitere Sockel und Bajonette folgen. Eine Hue-Lampe schafft eine Leuchtkraft von 600 Lumen, was ungefähr der Leistung einer 50-Watt-Glühbirne entspricht. Rein von unserem Gefühl her entspricht die Leuchtkraft jedoch eher einer 60-Watt- bis 80-Watt-Glühlampe.
Als LED-Leuchtmittel bestechen die Hue-Lampen mit ihrer Langlebigkeit von rund 15’000 Betriebsstunden. Dabei verbrauchen sie maximal 8,5 Watt. Oder anders gesagt, 7 Hue-Lampen benötigen gerade einmal so viel Strom wie eine herkömmliche 60-Watt-Glühbirne. (Die Smartbridge verbraucht übrigens 3 Watt.)
Die Handhabung der Hue-Lampen unterscheidet sich deutlich von einer regulären Glühlampe. Die Fassung muss ständig unter Strom stehen, sonst lässt sich die Lampe nicht kontrollieren. Wird die Lampe über den Lichtschalter aus- und wieder eingeschaltet, leuchtet sie mit voller Leistung und in einem angenehmen, warmen Weiss.
Die Hue-Lampen können nicht mit einem herkömmlichen Spannungsregler gedimmt werden, im Gegenteil. Zwar sollen laut Philips auch dimmbare Fassungen funktionieren, solange sie voll aufgedreht sind. Unser Test mit einem solchen Wandschalter endete jedoch in einem wilden Flackern, das der Stimmung alles andere als zuträglich ist. Wer sich also auf das Hue-System einlässt, muss im schlimmsten Fall damit rechnen, dass die Dimmer in den Lichtschaltern ausgebaut werden müssen.
Die Installation
Die Installation ist nicht benutzerfreundlich, sondern – mit Verlaub – idiotensicher. Die Smartbridge wird über das mitgelieferte Ethernet-Kabel mit dem Router verbunden, Strom kommt in die zweite Buchse.
Die Smartbridge ist kaum grösser als eine der Lampen (Bild: Apple)
Bei den Anschlüssen kann man nicht viel missverstehen (Bild: Apple)
Danach werden die Lampen in die Fassungen geschraubt und die App gestartet. Zu guter Letzt setzt ein Druck auf die einzige Taste der Smartbridge dieses moderne Hexenwerk in Gang.
Vorsicht, das ist der heikelste Teil der Installation
Als Nächstes sollten die Lampen in der App sinnvoll benannt werden, sonst wird die Einrichtung zu einer sehr abstrakten Angelegenheit. Das würde vielleicht einem Sheldon Cooper einen Jauchzer der Freude entlocken, doch wir fühlen uns in der Penny-Fraktion bestens aufgehoben. Die Einstellungen sind dabei so simpel gehalten, wie das System selbst:
In den Einstellungen sollte jeder Lampe ein sinniger Name zugeteilt werden
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Schier endlose Möglichkeiten

Die Möglichkeiten …
… sind schier grenzenlos. Wenn man es richtig macht, fühlt man sich fast wie in einem James-Bond-Film der alten Machart. Im einfachsten Fall wird der Raum in eine bestimmte Farbtemperatur getaucht. In der App sind vier Stimmungen von Philips vorprogrammiert: «Entspannen» (orange-rötlich), «Konzentration» (kalt-weiss), «Lesen» (warm-weiss) oder «Mehr Energie» (Tageslicht).
Die vier mitgelieferten «Rezepte» decken die Grundbedürfnisse ab
Dabei stützt sich Philips auf wissenschaftliche Fakten, um den gewünschten Einfluss auf die Stimmung auszuüben. So verhindert zum Beispiel das simulierte Tageslicht die Ausschüttung von Melatonin im Körper – also jenem Hormon, das unseren Stoffwechsel herunterfährt und uns am Abend schläfrig-müde macht.
Lampen können nicht nur einzeln gesteuert, sondern natürlich auch zu beliebigen Lichtstimmungen kombiniert werden, die von Philips «Rezepte» genannt werden. Wie wäre es mit einer rötlich beleuchteten Wand und gelben Farbtupfern in den Ecken? Oder mit einem Rezept, das vor dem Start des Films eine minimalistische Beleuchtung in den Ecken und hinter dem Fernseher erzeugt?
Oder vielleicht so: Im Kinderzimmer wird auf Knopfdruck das Deckenlicht ausgeschaltet, während die Nachttischlampe auf der untersten Stufe gerade noch glimmt. Um Punkt 22 Uhr wird auch dieses Nachtlicht automatisch ausschaltet.
Jedes Rezept lässt sich auf die Minute genau ein- oder ausschalten. Vorbei die Zeiten, in denen man im Winter von der Arbeit nach Hause kommt und eine stockdunkle Wohnung vorfindet. Oder wie wäre es, wenn die Beleuchtung um 6:50 Uhr von Warmweiss auf Tageslicht wechselt und damit signalisiert, dass es Zeit ist, sich auf den Weg zu machen? Beim Verlassen der Wohnung wird einfach die Taste «Alles aus» gedrückt, um die Lichter zu löschen – oder man überlässt auch diese Arbeit dem automatischen Timer.
Eine Szene lässt sich zeitlich gesteuert (de-)aktivieren
Und zu guter Letzt: Warum nicht einfach eine Lampe im Nebenzimmer brennen lassen, auch wenn sich niemand darin aufhält? Ein solcher Aufheller konsumiert gerade einmal 8,5 Watt und verhindert die ungemütlichen «schwarzen Löcher» im Wohnbereich. Und so weiter.

Ungenutzte Chancen
All diese Vorschläge lassen sich heute realisieren. Trotzdem wird schnell klar, dass es sich beim Hue-System um ein Beta-Produkt handelt.
Zum einen werden nicht alle Versprechen eingehalten. So kann ein Rezept laut Beschreibung nicht nur auf Termin aktiviert, sondern während 3 oder 9 Minuten sanft eingeblendet werden. So liesse sich im Schlafzimmer ein sanfter Sonnenaufgang simulieren, selbst wenn es draussen noch stockdunkel ist. Dem Vernehmen nach soll man sich fitter und besser gelaunt fühlen, doch leider funktioniert ausgerechnet diese spannende Einrichtung nicht – zumindest nicht mit der Smartbridge-Firmware 01003542. Stattdessen aktiviert sich die Szene schlagartig mit voller Leistung, was der guten Laune überhaupt nicht zuträglich ist. Dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt, beweisen die zahlreichen Klagen im Internet.
Zum anderen wird das Potenzial noch längst nicht ausgenutzt. So wäre das System prädestiniert, um durch zufällige (!) Schaltungen am Abend die Anwesenheit der Bewohner zu simulieren – doch auch diese naheliegende Funktion fehlt. Und warum lassen sich gewissen Timer nicht so programmieren, dass sie nur von Montag bis Freitag, aber nicht am Wochenende aktiv sind? Antwort: Weil die App zurzeit noch unfertig ist – oder zumindest hoffen wir das.
Daran muss also noch kräftig gearbeitet werden. Der wichtigste Aspekt dreht sich jedoch um die Zusammenstellung eigener Rezepte.
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Die App macht das Licht

Die App macht das Licht
Wie eingangs erwähnt, steuert das iPhone nicht die Lampen, sondern die Smartbridge. Im einfachsten Fall wird eines der mitgelieferten Rezepte angewählt, um ein Gefühl für die Sache zu entwickeln. Doch es dauert weniger als eine Minute, bis der Wunsch aufkeimt, selber ein wenig kreativ zu werden.
Die mitgelieferten Szenen vermitteln eine Vorstellung von Ursache und Wirkung
Wenn ein neues Rezept angelegt wird, verlangt die App nach einem Foto als Vorlage – warum auch immer:
Auf diesem Foto lassen sich Farben ganz einfach aufnehmen, indem das Symbol einer Lampe auf die gewünschte Stelle gezogen wird. Zum Schluss wird noch die Gesamthelligkeit der Szene festgelegt. Das wars, leichteste Übung:
Bei jedem Rezept wird ausserdem definiert, welche Lampen überhaupt betroffen sind. Alle Funzeln, die nicht Teil des Rezepts sind, behalten beim Aufruf einfach ihren aktuellen Status bei:
Oft sind nicht alle Lampen von einem Rezept betroffen
Denksport
Ein Rezept für das Wohnzimmer zu erstellen, ist also ein Kinderspiel. Wenn jedoch ein Haus mit verschiedenen Rezepten ausgeleuchtet werden soll, dann plant man am besten zuerst mit Stift und Papier.
Ein Beispiel: Sie beenden den Fernsehabend und gehen zu Bett. Auf Knopfdruck gehen die Lichter im Badezimmer und Schlafzimmer an. Gleichzeitig sollen die Lichter im Wohnzimmer ausgeschaltet werden. Dazu ist ein Rezept nötig, das alle betroffenen Lampen erfasst: Einige Lichter gehen an, während diejenigen im Wohnzimmer auf null zurückgedreht werden. (Ausschalten im herkömmlichen Sinn ist ja nicht möglich, da die Lampen ständig unter Strom stehen müssen.)
Solche Ausleuchtungen verlangen nach einer gründlichen Planung (Bild: Philips)
Vielleicht sollen stattdessen die Lichter in Schlaf- und Badezimmer angehen, während die Lampen im Wohnzimmer nur gedimmt werden und erst um Mitternacht automatisch ausgehen. Und so weiter. Am Anfang wirkt das alles ein wenig abstrakt, doch die Lernkurve ist zum Glück sehr flach.
Der Hue-Account
Am besten richtet man sich gleich nach der Installation einen kostenlosen Account auf der Hue-Website ein, der sich auf fast schon magische Weise mit der Smartbridge verbindet. Dieser Account bildet den Leim, der alles zusammenhält.
Die Einrichtung eines kostenlosen Hue-Kontos rundet den Funktionsumfang ab
So werden zum Beispiel die Rezepte, die auf einem iOS-Gerät erstellt werden, automatisch mit den anderen verbundenen Geräten synchronisiert. Ausserdem lässt sich die Beleuchtung auch über den Browser steuern, selbst wenn man in einer Hotel-Lobby am anderen Ende der Welt sitzt. Und zu guter Letzt verbindet er das Smartphone und die Smartbridge über das Internet, sodass man bereits im Zug das Licht zu Hause einschalten kann.
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Preise, Konkurrenten und Empfehlungen

Preise
Wie bereits erwähnt, wird das Hue-System zurzeit exklusiv über den Apple Store vertrieben – sowohl über die Läden als auch über den Onlinestore im Internet. Das Starter-Paket mit drei Lampen kostet Fr. 229.95. Jede weitere Lampe schlägt mit Fr. 69.95 zu Buche. Oder anders gesagt, die Smartbridge kostet gerade einmal Fr. 20.–.
Die Hue-App, hier auf dem iPad (Bild: Apple)
Damit ist das Hue-System erfreulich günstig. Zugegeben, wenn man das ganze Haus mit zwei Dutzend dieser Lampen pflastern will, geht das ins Geld. Allerdings halten diese Lampen viele Jahre lang. Ausserdem sind dimmbare (!) LED-Lampen auch ohne Hue-System so teuer, dass der Aufpreis für die intelligente Steuerung fast nicht mehr ins Gewicht fällt. Dieses Argument scheinen einige Leute zu teilen, denn die Lieferfrist im Onlinestore beträgt aktuell 4 bis 6 Wochen. Es ist jedoch gut möglich, dass man in einem Apple Store vor Ort ohne Wartezeit fündig wird.
Die Konkurrenz
LED-Lichtsysteme wie Philips Hue verkörpern die Zukunft der Beleuchtung. Kein Wunder, sind auch andere Firmen wie Osram oder Samsung in den Startlöchern, wobei Philips die Nase zurzeit vorne hat. Zeit wird jedoch zum kritischen Faktor für alle Hersteller, denn wer einmal ein solches System kauft, ist auf Jahre hinaus für die Mitbewerber verloren.
Einer der interessantesten (potenziellen) Konkurrenten ist das System von LIFX. Es wurde in Rekordzeit über die Kickstarter-Plattform finanziert und soll Ende März erhältlich sein. Das System steuert die Lampen direkt über Wi-Fi, und die dazu nötige App ist bereits jetzt eine echte Augenweide. Doch im Gegensatz zu Hue muss LIFX erst auf den Markt kommen und dann beweisen, dass es besser ist.
Schlusswort
Zweifelsohne kann Philips Hue Ihre Wohnung komplett umgestalten. Die Beleuchtung wird zu einem dynamischen Element, das sich Stimmungen, Jahreszeiten und Anforderungen auf Knopfdruck anpasst. Die Installation ist ein Klacks und die Steuerung über die iOS-App funktioniert mit Ausnahme der Wecker-Einblendung einwandfrei – sogar über das Internet.
Allerdings spürt man deutlich, dass Philips dieses System im Tempo des Gehetzten auf den Markt geworfen hat. Dass die Weckfunktion nicht wie versprochen arbeitet, ist sehr ärgerlich. Auch die eher altbackene App wird noch einige Updates über sich ergehen lassen müssen, bis sie den Begriff «Lifestyle-Produkt» verdient. Und dann sind da noch die offensichtlichen Möglichkeiten, die bis jetzt nicht realisiert wurden und von denen wir einfach hoffen, dass sie später nahgereicht werden.
Wer jetzt und heute in dieses faszinierende Thema eintauchen möchte, kann mit Hue trotzdem fast nichts falsch machen. Wir sind überzeugt, dass Philips die Software-Mängel beheben wird und dass dem System eine grosse Zukunft beschieden ist. Unter diesem Aspekt sollte die Wertung von 4/6 Sternen auch nur als Momentaufnahme betrachtet werden.
Wer es jedoch nicht ganz so eilig hat, der sollte noch einige Wochen zuwarten und beobachten, was LIFX zu bieten hat. Dieser Marschhalt fällt umso leichter, weil er sich ungefähr mit der Lieferzeit des Hue-Starterkits deckt.

Testergebnis

Installation, Lichtqualität, Verarbeitung, Preis
Weckfunktion, App-Design, Software nur Beta-Qualität

Details:  App für iOS (universal) und Android

Preis:  Starterkit: Fr. 229.95, jede weitere Lampe Fr. 69.95

Infos: 
https://www.meethue.com/de-US

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