Tests 21.06.2013, 11:56 Uhr

Test: Photoshop Lightroom 5

Die wichtigste Raw-Software liegt in der fünften Fassung vor. Was sie kann und was sie dazugelernt hat, zeigt unser Test.
Lightroom ist für unzählige Fotografen das wichtigste Werkzeug, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Seine Werkzeuge profitieren von den Erfahrungen, die Adobe mit Photoshop gesammelt hat, und kitzeln aus den Bildern die letzten Details heraus. Ausserdem geniesst Lightroom auch unter den engagierten Amateuren eine grosse Beliebtheit; dafür sorgen nicht nur die zugänglichen Werkzeuge, sondern auch der moderate Preis von 145 Franken für die Vollversion.
Die Oberfläche von Lightroom 5
In erster Linie versteht sich Lightroom als Werkzeug für die Organisation und die Bearbeitung von Fotos. Darüber hinaus bietet es aber auch ein Modul für die Erstellung von Fotobüchern, Slideshows und Webgalerien. In diesem Test werden wir uns jedoch auf seine Kernkompetenzen beschränken, also der Optimierung von Fotos.

Gemacht für Raw-Fotografen

Obwohl sich Lightroom auch mit JPEG-Dateien versteht, ist die Software ganz klar auf die Entwicklung von Raw-Bildern ausgelegt. Funktionen wie das Aufhellen von Schatten, die Rauschreduktion und anderes mehr können nur dann effizient wirken, wenn das Bild nicht durch den Kamera-internen JPEG-Konverter «verhunzt» worden ist.
Raw-Fotos bieten ausserdem eine wesentlich höhere Farbtiefe als JPEGs. Dadurch lassen sich in verzwickten Lichtsituationen Details aus den Lichtern und Schatten herauskitzeln, die bei JPEG-Fotos längst untergegangen wären, etwa so:
Raw-Dateien enthalten viel mehr Informationen, als das Motiv vermuten lässt

Lightroom oder Photoshop?

Auch wenn man eine Ähnlichkeit nicht abstreiten kann, so sind Lightroom und Photoshop doch zwei komplett verschiedene Programme. Photoshop mag der unangefochtene König der Bildretusche-Programme sein. Doch wenn es um die Optimierung von Fotos geht, ist die Arbeit mit ihm eine Qual, weil relativ banale Änderungen gleich nach einer Unmenge an Handgriffen verlangen.
Lightroom ist hingegen an die Arbeitsweise von Fotografen angepasst. Selbst Anfänger kommen nach kurzer Zeit damit klar. Es reicht im Prinzip, die Werkzeugkiste von oben nach unten abzuarbeiten – angefangen beim Weissabgleich über die Standardkorrekturen bis hin zu Spezialeffekten.
Lightroom arbeitet übrigens verlustfrei, so dass sich alle Änderungen nach Belieben zurücknehmen lassen. Erst beim Export werden die Anpassungen unwiderruflich in die Datei geschrieben.
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Alles im Sinne der Fotografie

Alles im Sinne der Fotografie

Lightroom ist kein Retusche-Werkzeug, auch wenn es dazu rudimentäre Ansätze bietet. Stattdessen dreht sich alles um die Frage, wie man aus dem Raw-Material das Letzte herausholt.
Ein Beispiel: Nur zu oft wird der Himmel auf den Fotos überbelichtet. Das Problem ist gerade bei Landschaftsaufnahmen so allgegenwärtig, dass Lightroom dafür ein eigenes Werkzeug kennt: die Verlaufsmaske. Sie deckt den Himmel ab und wird nach unten immer schwächer. Anschliessend lassen sich die Belichtung, die Sättigung und andere Parameter gezielt auf diesen Bereich anwenden. Das dauert nur Sekunden, und die Resultate wissen zu überzeugen. Hier ein überspitztes Beispiel:
Mit dem Verlauffilter wird der Himmel gezielt abgedunkelt
Diese Funktion wurde in Lightroom 5 weiter ausgebaut. Jetzt können Verlaufsmasken auch rund sein und beliebig auf dem Foto verschoben werden. Besser noch: Da mehrere Masken gleichzeitig erlaubt sind, kann ein Foto wie mit einem Scheinwerfer gezielt aufgehellt oder abgedunkelt werden. Oder es wird weichgezeichnet respektive von den Farben befreit. Und so weiter. Endlose Möglichkeiten tun sich auf.
Radiale Masken eröffnen ganz neue Möglichkeiten
Zu den weiteren Stärken von Lightroom gehört die hervorragende Entrauschen-Funktion. Sie reduziert jene Störungen, die bei hohen ISO-Werten auftreten – und zwar so effizient, dass auch vermeintlich ruinierte Fotos nach der Behandlung überzeugen können. Genau genommen sind die Resultate so überzeugend, dass in den meisten Fällen sogar spezialisierte Entrauscher wie Nik Dfine überflüssig werden.
Das Rauschen bei hohen ISO-Werten wird deutlich reduziert (1:1-Darstellung)
         

Gebändigte Schieberegler

Lightroom ist gespickt mit Schiebereglern, die praktisch jeden Aspekt der Bildwiedergabe beeinflussen. Dass auch Einsteiger trotzdem klar kommen, ist dem praktischen Werkzeug «Zielkorrektur» zu verdanken. Dabei reicht es, die gewünschte Korrektur anzuwählen (zum Beispiel die Intensivierung der Blautöne), in das Bild zu klicken und die Maus nach oben oder unten zu bewegen – Lightroom sorgt anschliessend dafür, dass die richtigen Hebel in Bewegung gesetzt werden. Damit werden auch für Laien Korrekturen möglich, die einem früher an den Rand des Wahnsinns getrieben hätten.
Die Zielkorrektur reduziert komplexe Änderungen auf eine Mausgeste

Presets und automatische Imports

Lightroom wird von den meisten Fotografen nicht einfach verwendet, um Bilder zu optimieren, sondern auch, um einen eigenen Stil durchzuziehen. Für solche Zwecke stehen die «Presets» bereit, die beliebige Einstellungen speichern und auf Knopfdruck anwenden. Besser noch: Presets lassen sich bereits beim Import anwenden, so dass der Rahmen für die späteren Korrekturen schon einmal abgesteckt ist.
Presets verändern die Bildwirkung – wie stark, zeigt die Vorschau links oben
Um diese Presets herum hat sich unterdessen ein eigenes Ökosystem entwickelt. Das Spektrum beginnt bei kostenlosen Effekten, wie sie zum Beispiel von PresetPond angeboten werden. Am anderen Ende finden sich Filmsimulationen wie jene von VSCO wieder, die ein dreistelliges Preisschild tragen.

Neue Bereichsreparatur

Zu den wichtigsten Neuerungen von Version 5 gehört die überarbeitete Bereichsreparatur. Bis anhin konnten fehlerhafte Stellen, Sensorstaub oder unerwünschte Details nur mit einem kreisförmigen Flicken getilgt werden. Neu können auch komplexere Formen erstellt werden – perfekt, um zum Beispiel Personen oder Telefondrähte verschwinden zu lassen, die sich durchs Bild ziehen. Doch obwohl die Bereichsreparatur einen grossen Sprung nach vorne gemacht hat, reicht sie längst nicht an die Bereichsreparatur von Photoshop heran. In Lightroom wird die Bildstelle nämlich nicht durch einen eigenen Algorithmus ausgebessert, sondern aus den umliegenden Bildteilen geklont und angepasst. 
Die neue Bereichsreparatur erspart so manchen Abstecher zu Photoshop
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Noch mehr Neuerungen

Wie bereits erwähnt, bietet Lightroom 5 eine verbesserte Bereichskorrektur sowie radiale Masken, mit denen Vignetten geschaffen oder Bildpartien gezielt ausgeleuchtet werden können. Doch damit ist die Liste der Neuerungen natürlich noch nicht zu Ende.

Upright – alles im Lot

Die neue Funktion «Upright» ist bei den Objektivkorrekturen angesiedelt und hilft, die Dinge geradezurücken – im besten Sinn des Wortes. Ein schiefes Bild wird dabei automatisch in die richtige vertikale Position gedreht. Ausserdem lassen sich perspektivische Verzerrungen auf Knopfdruck korrigieren, was im Extremfall so aussieht:
Korrektur durchgeführt, übers Ziel hinausgeschossen
Damit macht Lightroom einen grossen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings reicht die Funktion längst nicht an die Perspektive-Korrektur der Konkurrenten Optics Pro oder Capture One heran. Bei diesen lassen sich die Fluchtpunkte manuell festlegen oder die Korrektur ein wenig entschärfen, um einen natürlicheren Eindruck zu erzielen – Funktionen, die bei Upright (noch) fehlen. Stattdessen korrigiert Lightroom die Perspektive so exzessiv, dass jegliche Verjüngung nach oben kompensiert wird; das Resultat wirkt unnatürlich.
Im schlimmsten Fall kann es sogar vorkommen, dass ein Gebäude nach oben hin breiter wird. Die Upright-Funktion empfiehlt sich deshalb in der aktuellen Version nur für Aufnahmen, die eine leichte Korrektur nötig haben; bei starken perspektivischen Verzerrungen ist sie wegen der fehlenden manuelle Eingriffsmöglichkeiten nicht zu gebrauchen.

Verbesserte Diashows

Neu lassen sich mit Lightroom noch effektvollere Diashows herstellen – ideal für Profis, die den Kunden die Früchte ihrer Bemühungen zeigen möchten. So können unter anderen auch Videos in die Fotopräsentation eingebunden werden.

Aufspüren von Sensorflecken

Aber auch im Detail hat sich einiges getan. DSLR-Fotografen finden in Lightroom 5 eine Hilfe, um Sensorflecken aufzuspüren – also kleine Bildfehler, die durch Staub oder andere Verunreinigungen auf dem Sensor entstehen. Diese werden zwar nicht automatisch entfernt, doch zumindest wird klar, an welchen Bildstellen man suchen muss.
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Schattenseiten & Fazit

Die grösste Schwäche von Lightroom liegt in seiner Weigerung, auf die Heimanwender zuzugehen. Wie bereits erwähnt, wird die Software nicht nur von Profis, sondern auch von unzähligen Freizeitfotografen verwendet. Deshalb wirkt die Unterstützung von nur drei sozialen Netzen (Behance, Facebook und Flickr) eher wie eine Alibi-Übung. Auch andere beliebte Funktionen wie zum Beispiel die Gesichtsserkennung fehlen.

Keine iOS-Unterstützung

Einen schweren Stand haben auch Fotografen, die ihre Werke auf Apples iOS-Geräten herumzeigen möchten. Lightroom arbeitet intern verlustfrei, die Originale bleiben also unangetastet. Um die verbesserten Fotos auf ein iOS-Gerät zu bringen, müssen die Bilder zusammen mit den Änderungen im JPEG-Format exportiert werden. Erst dann lässt sich der Export-Ordner über iTunes synchronisieren.
Leider können zwar Bildersammlungen halbautomatisch exportiert werden, aber nicht die ganze Bibliothek. Als Folge sind endlose Export-Vorgänge nötig, die den Spass an der Sache verderben. Eine mögliche Lösung besteht darin, dass die fertigen Bilder grundsätzlich nicht in Lightroom gespeichert, sondern in einer anderen Software verwaltet werden – so wie hier beschrieben.

Umständlicher Import

Auch bei der Import-Funktion gibt es Verbesserungspotenzial. Sie bietet zwar einige mächtige Funktionen, wie zum Beispiel die automatische Anwendung von Profilen oder Einstellungen. Gleichzeitig gehört sie aber auch zu den nervigsten Einrichtungen. Adobe verzichtet auf die Standard-Importdialoge und konfrontiert den Benutzer mit einer Unmenge an Verzeichnissen, zwischen denen herumgeturnt werden muss. Zwar lassen sich wichtige Verzeichnisse «verankern», so dass sie immer auf der obersten Ebene bleiben – aber es wäre einfacher, wenn sich Adobe einfach an die Konventionen des Betriebssystems halten würde.

Fazit

An Raw-Konvertern herrscht kein Mangel, und einige davon leisten partiell sogar mehr als Lightroom – allen voran Optics Pro und Capture One. Hingegen bietet k
ein anderes Programm eine so gelungene Mischung aus professionellen Funktionen, Zugänglichkeit und Leistung. Die Resultate sind bis auf wenige Ausnahmen hervorragend – was angesichts der Erfahrung von Adobe auch nicht weiter verwunderlich ist.
Vielleicht die härteste Konkurrenz für Lightroom: Capture One von Phase One
Auf der Mac-Seite wird Lightroom auch für jene Fotografen interessant, die nicht länger auf ein überfälliges Update von Aperture warten wollen. Unterdessen liegt die Apple-Software nämlich so weit hinter der Adobe-Konkurrenz zurück, dass es nicht mehr lustig ist. Das gilt besonders für so wichtige Themen wie radiale Masken, die Rauschreduktion oder Objektivkorrekturen.
Kurz, wer einen professionellen Raw-Entwickler sucht, liegt mit Lightroom genau richtig. Neueinsteigern sei allerdings ein wenig Fachliteratur empfohlen, um sich in die vielschichtige Materie einzuarbeiten. Besonders empfehlenswert sind die Lightroom-Bücher von Scott Kelby. Zurzeit liegt zwar nur die Ausgabe zu Version 4 vor, doch da sich die Änderungen in Version 5 im Rahmen halten, ist dieses Geld trotzdem gut investiert.

 Preise und Verfügbarkeit

Abonnenten der «Creative Cloud» kommen automatisch in den Genuss der neusten Lightroom-Version. Alle anderen zahlen Fr. 145.80 für die Vollversion oder Fr. 81.– für das Update. Genau wie die Vorgänger ist Lightroom 5 komplett in Deutsch lokalisiert und sowohl für OS X als auch für Windows erhältlich. Eine Demoversion finden Sie über die Produktewebsite von Adobe.

Testergebnis

Entrauschen, Masken, Workflow, Presets, Zugänglichkeit, Qualität
Upright-Funktion nicht ausgereift, keine globale Export-Funktion, keine Gesichtererkennung, schwache Unterstützung für Social Media

Details:  Ab OS X 10.7, ab Windows 7 SP1, u.a. in Deutsch lokalisiert

Preis:  Fr. 81.– (Upgrade) resp. Fr. 145.80 (Vollversion)

Infos: 
www.adobe.de/lightroom

Leserwertung

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Kommentare
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Klaus Zellweger
25.06.2013
Besten Dank für den Hinweis auf Raw Therapee. Dieser «Kurzbericht» umfasst übrigens vier Seiten, nicht nur eine. Die Erwähnungen von Optics Pro und Capture One befinden sich ein wenig weiter hinten. :)

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aandima
25.06.2013
ach so, da muss ich also noch was lernen über die neue PCTip -Navigation :)