Blick in die Karten 16.12.2022, 08:51 Uhr

Apple Maps dreht auf

Apples Karten-Anwendung bekommt neue Funktionen für die Schweiz und wirkt schöner denn je. Aber …
Eine unscharfe Kirche im Hintergrund, das Symbol der Karten-Anwendung im Vordergrund
Die Karten wurden einer Generalüberholung unterzogen – auch in der Schweiz
(Quelle: PCtipp.ch)
Die Bedeutung einer multifunktionalen Karten-Anwendung kann gar nicht überschätzt werden. Im ersten Moment denken die meisten an die Fahrzeug-Navigation via GPS. Doch heute werden über Karten auch Restaurants entdeckt, verlorene Dinge wiedergefunden, Hotels vorab besichtigt, Erfahrungen von Weltenbummlern ausgetauscht und vieles mehr. Und vor allem werden diese Daten noch wichtiger, wenn in wenigen Jahren die AR-Brillen auf den Markt kommen: Sie versprechen eine «Augmented Reality», also eine erweiterte Realität, wenn vor unseren Augen der Weg auf die Strasse projiziert wird.
Bis heute ist Google Maps das Synonym für solche Anwendungen. Dabei war es für Apple nicht hilfreich, dass man sich im September 2012 ohne Not von Google löste und mit dem selbst entwickelten Pendant eine beeindruckende Bauchlandung hinlegte: Ziele lagen mitten im Bodensee, trugen falsche Namen oder wurden gar nicht erst gefunden – was vielleicht auch besser war. Neun Tage nach der Einführung entschuldigte sich Tim Cook bei den Kunden für diesen Fehlstart.

Dekade der Verbesserungen

Das sind vergangene Zeiten und tatsächlich haben die Kalifornier enorme Fortschritte erzielt: Heute empfinde ich die Karten-App mit grossem Abstand als die schönste ihrer Art. Die Autonavigation wirkt glasklar und übersichtlich, während Google Maps auf dem iPhone eine Unordnung an den Tag legt, die kaum zu erklären ist. Die ganze Oberfläche ist Apple-typisch bis zum letzten Pixel auf Hochglanz poliert. Siris Stimme für die Navigation klingt zwar im Vergleich zu Google Maps etwas niedergeschlagen, aber das sei nur am Rande erwähnt.
Viel wichtiger ist, dass mit dem November-Update wichtige Lücken zu Google Maps geschlossen wurden – und dieses Mal u. a. auch für die kleine Schweiz und Liechtenstein.
Die Klarheit und Aufmachung der Navigation überzeugt auf der ganzen Linie
Quelle: Apple Inc.

Look Around

Die wichtigste Neuerung hört auf den Namen Look Around – und sie wird vor allem den Tourismus unterstützen. Sie entspricht Googles Street View und zeigt also ein 360-Grad-Panorama der Umgebung, um vorab einen Blick auf das Hotel oder die Umgebung zu werfen. Dazu wird einfach die Gegend auf der Karte angepeilt und das Fernglas angetippt, um das Panorama aufzurufen. Der Doppelpfeil bringt es auf das volle Format. Dabei glänzt Karten mit seiner ansprechenden Bildqualität und der einfachen Navigation, indem der Ausschnitt auf der Karte verschoben wird. Die hohe Qualität ist wohl der Gnade der späten Geburt geschuldet, weil Apple seine Fahrzeuge mit der neueren Ausrüstung bestückte.
Die Funktion ‹Look Around› überzeugt mit ihrer Bildqualität und der einfachen Navigation
Quelle: PCtipp.ch
Noch komfortabler gestaltet sich die virtuelle Spritztour am Mac, wo in der Karten-Anwendung im Menü Karten der Befehl ‹Umsehen› einblenden angewählt wird.
Auf dem grossen Mac-Display gestaltet sich der Umgang mit ‹Karten› noch komfortabler
Quelle: PCtipp.ch
Auch bei Look Around werden Nummernschilder und Personen automatisch verpixelt. Doch wer sich ertappt fühlt, kann das unter https://maps.apple.com/imagecollection/locations/ch melden, damit nachgebessert wird. Auf dieser Seite wird auch aufgelistet, wo die Apples-Fahrzeuge gerade ihre Aufnahmen machen.

Immersive Fusswegrouten

Bei den «Immersiven Fusswegrouten» handelt es sich um die maximal umständliche Übersetzung der Funktion AR Walking, die bis jetzt nur in Zürich, Genf und Basel zur Verfügung steht. Dabei wird die Fussgänger-Strecke durch auf dem Display des iPhones durch erweiterte Informationen ergänzt, die das Navigieren deutlich erleichtern.
Realität und Hinweise verschmelzen
Quelle: Mac Rumours

Alles wird schöner

Von den technischen Neuerungen abgesehen, ist die Karten-App in jeder Hinsicht schöner geworden, angefangen bei der optimierten Typografie. Seen, Wiesen und Gebäude unterscheiden sich optisch besser, um die Orientierung zu erleichtern. Gebäude werden jetzt dreidimensional dargestellt, damit man sich einer Vorstellung von den Verhältnissen machen kann – allerdings sind diese Optimierungen wie auch die immersiven Fusswege auf einige Städte beschränkt, denn das bedingt Handarbeit.
Basel wird dreidimensional
Quelle: Apple Inc.
Dasselbe gilt für die wichtigsten Wahrzeichen, die allesamt von Hand erstellt und ins Landschaftsbild integriert wurden. Für die Navigation zu Fuss kann das ungemein nützlich sein – aber eben nur, wenn ein Gebiet von Apple dieser Sonderbehandlung unterzogen wurde.
Wichtige Wahrzeichen wurden von Hand umgesetzt und eingepflegt
Quelle: Apple Inc.

Was immer noch nicht geht

Einige Punkte fehlen allerdings immer noch. So kennen die Apple-Karten keine Velo-Navigation. Und nach wie vor gibt es keine Möglichkeiten, die Karten für die Offline-Nutzung herunterzuladen. Beim Start der Reise wird zwar die komplette Route gespeichert – doch wenn die in ein Funkloch führt und anschliessend der Heimweg berechnet werden soll, ist es das gewesen.
Zudem bleibt «Karten» den Apple-Anwendern vorbehalten, denn die Anwendung funktioniert nur auf dem iPhone, dem iPad und am Mac. Eine Verwendung im Browser ist nicht möglich und auf der Seite apple.com/maps wird lediglich die Werbetrommel gerührt.

Falsch verbunden

Für gemischte Gefühle sorgen allerdings auch persönliche Erfahrungen in der Vergangenheit, bei denen mich Apples Karten an den falschen Ort navigierten oder mich vor verschlossenen Toren stehen liessen. Die Navigation war dabei nie das Problem, sondern die ungenauen Daten zu den Geschäften, etwa die Adresse oder die Öffnungszeiten – und die waren trotz meiner bescheidenen Nutzung zu oft falsch. Ausserdem wurde unsere Strasse vor über zwanzig Jahren umbenannt; es brauchte drei Meldungen über die Karten-App und eine Wartezeit von etwa vier Jahren, bis der Fehler irgendwann korrigiert wurde.
Bei der Prüfung dieser Fehlschläge kann ich dem Dienst attestieren, dass sich fast alles zum Besseren gewendet hat. Die bekannten Irrwege wurden korrigiert, die Öffnungszeiten ebenfalls.
Allerdings sind falsche Angaben auch heute noch zu finden: Dieses Geschäft zog vor fast vier Jahren um. Google weiss das; Apple Karten hat das noch nicht mitbekommen und mich im Rahmen einer Suche an die falsche Stelle geführt. Und das untergräbt das Vertrauen, denn mit meinem katastrophalen Orientierungssinn bin ich gezwungen, mich einem Navi förmlich zu unterwerfen.
Die Adresse links im Bild ist von Apples Karten – und seit fast vier Jahren falsch; Google weiss es besser
Quelle: PCtipp.ch

Fazit

Apples Karten-Anwendung überzeugt mit ihrer Eleganz, der gelungenen Navigation und der Liebe zum Detail. Es ist schön zu sehen, dass die Schweiz nun ebenfalls zum Handkuss kommt. Die immer noch falschen Geschäftsangaben trüben jedoch das Vertrauen. Zusammen mit den fehlenden Offline-Karten wird mir Google Maps auf dem iPhone wohl noch lange erhalten bleiben – und sei es nur als Plan B.


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