News 08.04.2013, 11:06 Uhr

Fake-Accounts auf Twitter sind Goldgrube

Um auf Twitter Gefolgschaft zu finden, sind Unternehmen und Personen bereit, für falsche Accounts zu bezahlen. Anbieter verdienen dadurch nach eigenen Aussagen Millionen.
Lady Gaga hat 36 Millionen Twitter-Freunde, die Rolling Stones 336'000. Ist Lady Gaga darum 100 Mal erfolgreicher als die Männer um Mick Jagger? Wohl eher nicht. In der realen Welt werden mit Geld Güter bezahlt. In der Social-Media-Welt werden mit Geld Freunde gekauft. Obwohl niemand sagen kann, was tausend Twitter-Follower genau bringen sollen. Dennoch oder genau deswegen hat sich aus diesem Geschäftsmodell ein Millionenmarkt entwickelt.
Wie zwei italienische Sicherheitsforscher herausfanden, gibt es Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, gefälschte Twitter-Accounts zu verkaufen. Die «New York Times» berichtet, dass es gemäss den Wissenschaftlern knapp 20 Millionen solcher Fake-Accounts geben soll. Diese werden von rund zwei Dutzend Diensten angeboten, die mit dem Verkauf der falschen Identitäten bis zu eine Million US-Dollar verdienen können – pro Woche.
125 Retweets pro Tag
Dafür erhalten die Käufer auch eine «entsprechende Gegenleistung». Die Fake-Accounts kommen mit Profilbildern, kompletten Biographien und teilweise sogar mit Links zu – angeblich – eigenen Webseiten. Und sie begnügen sich nicht damit, den Käufern einfach zu folgen und ihnen dadurch eine grössere Followerschaft zu ermöglichen. Sie kopieren die Kurznachrichten und verbreiten sie selber, sogenanntes «retweeting».
Daraus erklärt sich auch der Geschäftserfolg der Anbieter, sagen die italienischen Wissenschaftler. Denn gefälschte Accounts lassen sich mehrmals verkaufen, das sei von den Käufern sogar gewünscht. So würden sie mehr Leuten folgen, was die Glaubwürdigkeit erhöht.
Eine Studie von Barracuda Labs sagt, dass Fake-Accounts für gewöhnlich in Paketen à 1000 Stück verkauft werden, der Durchschnittspreis für dieses Angebot liegt bei 18 Dollar. Die italienischen Forscher dagegen sagen, dass einige Anbieter damit angeben, 2 bis 30 Dollar pro Account zu erhalten. Für fünf «Retweets» pro Tag würden dann noch 9 Dollar pro Monat dazukommen, 125 «Retweets» am Tag kosten 150 Dollar. Das Marktvolumen für die gefälschte Twitter-Gefolgschaft soll zwischen 40 und 360 Millionen Dollar liegen.
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Twitters-Sicherheitscheck versagt

Sicherheitscheck kindergleich umgehen
Warum Twitter und nicht Facebook, das weit mehr Nutzer hat? Weil Facebook eine E-Mail-Bestätigung verlangt, um einen Account zu verifizieren. Twitter verzichtet darauf. Um Fake-Accounts zu verhindern, müssen Nutzer, die mehrere Accounts von derselben IP erstellen wollen, «Captchas» beantworten. Das sind diese Eingabeformulare, bei denen kleine Fragen beantwortet oder schwer zu lesende Buchstaben abgetippt werden müssen. Für Menschen (mehr oder weniger) einfach zu lösen, für Maschinen nicht. Doch das System funktioniert nicht wunschgemäss.
Die beiden italienischen Forscher haben gemäss «New York Times» mit einem Software-Entwickler gesprochen, der bis zu 100'000 Accounts in fünf Tagen erstellen kann. «Das Geschäft läuft hervorragend», sagte er den Wissenschaftlern sinngemäss. «Twitters Verteidigung könnte ein Kind aushebeln.»
Twitter scheint dagegen nichts unternehmen zu wollen. Ein Sprecher sagte der «Times», dass ein Philosophieunterschied zu Facebook bestehe. Während das grösste Soziale Netzwerk eine Person an einen Account bindet, möchte Twitter, dass eine Person mehrere Accounts haben kann.
Lady Gaga nahm letztes Jahr mit ihrer Tournee übrigens 124 Millionen Dollar ein. Die Rolling Stones bei ihrer letzten grossen Konzertreihe (2005-2007) 550 Millionen Dollar.

Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt



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