News 26.11.2002, 20:30 Uhr

PC Action vor dem Aus? - Spiele-Presse im Verdrängungskampf

Im Internet wird wild spekuliert, ob im Zuge des allgemeinen Computerspiele-Magazin-Sterbens auch ein Produkt von Computec an der Reihe ist. Das Gerücht entspricht derzeit genau dem wirtschaftlichen sowie qualitativen Zustand der deutschsprachigen Spiele-Szene und deren Presselandschaft - ein Ausblick.
[1][2][3][4][5][6][7][8]Im deutschen Sprachraum findet in der Presse-Landschaft seit längerem ein unerbittlicher Kampf um Marktanteile in der Spiele-Branche statt. Dieses und letztes Jahr wurden bereits die Traditions-Fachmagazine "Powerplay" und "PC Player" vom gleichen Verlag (Future Network ) wegen Unrentabilität eingestampft. Dieses Verlagshaus zog sich somit komplett vom deutschen Spielmarkt zurück - nachdem es gerade mal Ende 1999 vom Verlag WEKA Consumer Medien GmbH beide Traditionsmagazine aufkaufte. Die Powerplay war vor ihrer Auflösung immerhin 12 Jahre alt und praktisch von Beginn weg dabei. Damit blieben im deutschsprachigen Raum drei grosse Magazine, "PC Games" , "PC Action" - beide kommen aus dem Hause Computec Media - sowie "Gamestar" von IDG Deutschland . Zur International Data Group (IDG) gehört auch der PCtip von IDG Schweiz .Es ist in der Branche ein offenes Geheimnis: nur wer in der Lesergunst spitze ist, erhält die meisten Inserate und vielfach springen für die Spitzenreiter auch zuerst exklusive Einblicke in kommende Spiele raus. Der Kampf um Marktanteile "zwingt" die verschiedenen Magazine immer wieder zu eher fragwürdigen Aktionen. Jüngstes Beispiel: Ein Journalist der Gamestar machte vom kommenden Spiel Doom 3 bei einer offiziellen Pressekonferenz des Spieleherstellers id [9] in den USA trotz Verbots unautorisierte Aufnahmen des Spiels und setzte diese ins Internet.
Parallel zum immer brutaleren Kampf um Marktanteile lässt sich in der Branche selbst ein auf wirtschaftlicher Ebene zunehmend professionellerer Umgang mit Leserbedürfnissen feststellen. Für "schräge" Artikel und Rubriken sowie Randthemen bleibt den Redaktionen wenig bis gar keinen Raum. Ein Spiele-Magazin wie es in den 80er-Jahren existierte (ASM, Amiga-Joker als Beispiele) ist heute undenkbar. Der Fokus ist auf die grosse Masse gerichtet, was nicht zuletzt dazu führte, dass jedes Heft inhaltlich das gleiche bietet, mit noch besseren Zusatzangeboten (CD-ROM/DVD mit Vollversionen, Kino-Trailern usw.), noch exklusiveren Vorschauen und sich bei der wohl männlich gedachten Kundschaft mit noch "verführerischeren" Titelbildern (PC Action) am Kiosk abheben will. Selbst in der Online-Ausgabe der etablierten Presse finden Randthemen kaum bis gar keine Beachtung. Dafür finden diese nicht thematisierten Themen zunehmend in reinen Online-Titeln Platz. Ein zusätzlicher Faktor, der den Print-Produkten manche Unzufriedene abspenstig macht und den Absatzmarkt verkleinert. Denn vor allem Spieler der ersten Stunde und solche, die den Bewertungen anderer Hefte misstrauen, wechseln gemäss diversen Online-Foren [9] nach dem "Tod" ihres Blattes eher zu Online-Mags denn zur Konkurrenz.
Ausser der Gamestar, wo viele alteingesessene Redakteure wie Heinrich Lenhardt [10] , Michael Galuschka oder Michael Schnelle arbeiten, wurde bei der Konkurrenz auch nicht gross auf Kontinuität zwischen Leser und Redaktor Wert gelegt - was aber offensichtlich für viele Käufer auch ein Grund ist, gerade dieses und nicht ein anderes Magazin zu kaufen. Vielleicht mit ein Faktor, warum die Gamestar zurzeit - und nach dem Sterben der "alten zwei" Powerplay und PC Player - erfolgreicher ist denn je.
Seit die Gamestar im letzten Jahr den Branchenprimus PC Games als meistverkauftes Magazin ablöste, ist man wohl auch im Verlag Computec nervös geworden. Zumal die Gamestar erst seit drei Jahren auf dem Markt ist - ein kometenhafter Aufstieg. Die Antwort auf die Herausforderung des Hauses IDG blieb denn auch nicht lange aus: als erste Hefte im deutschsprachigen Markt überhaupt lieferten PC Games und PC Action eine Ausgabe mit DVD aus, die auch inhaltlich verschieden waren. Nicht lange und die Gamestar stellte ebenfalls eine DVD-Ausgabe her, allerdings nur für Abonnenten. Dies, nach eigenen Angaben, um die beträchtlichen Zusatzkosten einer DVD-Produktion in Grenzen zu halten.
Die Marktanteil-"Schlacht" im allgemein harten Wettbewerb der Computer-Branche wird auch mit juristischen Mitteln geschlagen. Wie der deutschen Ausgabe der Financial Times (20.9.2001) [11] zu entnehmen ist, verklagte das Verlagshaus Computec den Axel Springer Verlag, welcher ebenfalls Computerhefte produziert (u.a. Computer-Bild [12] ). Der Grund: Der Verlag kopple in wettbewerbs- und sittenwidriger Weise Zeitschriften mit kompletten Spielen. Computer-Bild füge jeder Ausgabe vollständige PC-Spiele bei, die im Handel für bis zu DM 100 angeboten würden. Nach Ansicht der Computec-Anwälte würden "Kunden in übertriebener Weise angelockt". Erstaunlich ist dieses Vorgehen allemal, wenn man bedenkt, dass Vollversionsbeigaben - wenn meist auch nicht gerade die aktuellsten Titel verschenkt werden - in der Spiele-Presse seit langem an der Tagesordnung sind.
Die allgemeine Nervosität in dieser Branche bleibt auch den Lesern und Leserinnen nicht verborgen. Vor allem in diversen Foren und im Usenet, wo sich langjährige Gamer austauschen, wird dies immer wieder deutlich. Es braucht nicht viel und schon schiessen die lautesten Gerüchte ins Kraut. Diesmal hats die PC Action erwischt. Im Online-Magazin "PC-Extreme" [13] wird offiziell über ein Eingehen von PC Action spekuliert - mit einigen ernstzunehmenden und weniger ernsten Gründen: PC Action-Chefredakteur Christian Müller verliess das Heft und ist nun bei PC Games tätig. Dies alleine ist aber noch nicht einmal Grund für ein Gerücht. Mögliche Anzeichen, dass es dem Magazin nicht gut geht, sind andere: Die PC Action DVD-ROM-Ausgabe wurde eingestellt, die Abonnenten der PC Action erhalten nun die DVD von der PC Games und die verkaufte Auflage schlittert in bedenklich tiefe Lagen. Das Spielemagazin PC/Amiga-Joker hatte, als es Pleite ging, leicht mehr als 100'000 Leser. Die PC Player und die Powerplay um die 80'000 ausgewiesene Leser. PC Action ist laut IVW [14] von einst 140'000 (1998) auf gute 100'000 (2001) verkaufte Hefte gefallen. Die Abo-Zahlen stagnieren seit vier Jahren zwischen 13'296 und 14'474 (aktuell 13'418) und die Druckauflage nahm von einstmals 227'200 Exemplaren auf 162'800 ab. Der Verkauf im Ausland sank um knapp die Hälfte von 13'485 (1998) auf 6'970 (Stand August 2001). Die Internetpräsenz der PC Action wurde praktisch auf Eis gelegt, man wird nun direkt auf die Seite des Verlags verwiesen. Ebenfalls komplett von der PC Games-Internet-Präsenz übernommen wurden die Online-Foren. Der neue Chefredakteur Christian Bigge - welcher diese Position auch beim vom gleichen Verlag eingestellten Print-Titel Game On! [15] bekleidete - meint dazu: "Als Special-Interest-Magazin mit Focus auf die grosse Gemeinde der Action-Spieler steht bei PC ACTION nicht die Höhe der verkauften Auflage im Vordergrund, sondern vielmehr die Einzigartigkeit der Leserschaft". An einem neuen Internet-Auftritt der PC Action werde gearbeitet und das Magazin PC Action stehe auf "sehr gesunden Füssen".
Man mag darüber streiten, ob die Qualität des Online-Auftritts grosse Rückschlüsse auf den finanziellen Zustand eines Presse-Erzeugnisses zulässt. Fakt ist, dass z.B. das Traditionsblatt Powerplay mit zunehmend schlechterer finanzieller Lage erst den alten Internet-Dienst ganz abschaltete und dann die Leser praktisch ein Jahr lang auf die neue Homepage vertröstete - das Projekt blieb bis zuletzt Stückwerk und wurde nie fertig gestellt... Die Online-Präsenz der PC Player war zwar nie so katastrophal wie der nicht wirklich durchgeführte "Relaunch" der Powerplay, aber auch sie blieb bis zuletzt unvollständig. Generell kann der Web-Auftritt tatsächlich als Anzeichen von finanzieller "Gesundheit" herhalten - eine Internet-Präsenz mit allem Drum und Dran ist nicht billig, im Gegenteil.
Letztlich vollzieht sich in der Printbranche, was bei den Spieleherstellern vor gut drei Jahren im grossen Stil begann: Existierten in der "wilden" Anfangsphase (80er bis mitte 90er-Jahre) x-verschiedene Spieleentwickler, so wurden diese bis heute immer weniger und etliche alte Traditionsunternehmen wie Microprose, Bullfrog, Bluebyte, Origin, Looking Glass oder 3DO wurden von grossen Publishern geschluckt oder ganz verdrängt. Nicht zuletzt führten die immer grösser werdenden Produktionskosten und das zunehmend härtere wirtschaftliche Umfeld zu dieser Konzentration der Spielehersteller; ein Umstand, der dank den neu entstandenen finanzstarken Spielepublishern eigentlich auf bessere Spiele hoffen liess. Doch das Ergebnis ist ernüchternd: von den Etablierten wird praktisch nichts neues geboten. Stagnierende Innovation was das Spielprinzip anbelangt, viele ähnliche Titel (3D-Shooter XY) oder die Folge XY zu einem ehemaligen Hit sind an der Tagesordnung. Manchmal werden aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen auch schlicht unfertige Games (Ultima 9 oder Falcon 4.0 als Paradebeispiele) auf den Markt geworfen - gegen den Willen der Programmierer. Die Erfahrungen, welche bisher mit der Verminderung der Spielepublisher gemacht wurden, lassen bei einer möglichen Fokussierung der Spiele-Presse keine guten Gefühle aufkommen.



Kommentare
Es sind keine Kommentare vorhanden.