Kommentar
23.01.2004, 14:00 Uhr
Das Freitagsbit: Das Imperium schlägt zu
Die WWKolumne
Neulich während einer Klingklangwiegehtswiestehts-Party. "Gestatten, K.O. Pierer mein Name!" Der angesprochene, ältere Herr, der bereits am Stock geht, formt seine Hand zu einer Hörmuschel: "Hä, weeeer sind Sie?" "Pierer! K.O!" "Ah, guten Abend, Herr Pierer." Nach einem kurzen Moment der peinlichen Stille fragt der nette, ältere Herr: "Und, was tun Sie?" "Oooch, ich deale mit MP3-Dateien." Schlagartig weicht die Freundlichkeit aus dem Gesicht des ältern Herrn, der seinen Stock hebt und wie von Sinnen auf Herrn Pierer eindrischt.
Und was lernen wir daraus? Nicht jeder Esel trägt ein graues Fell. So manch einer gar einen Stock. Oder: Wer zuerst MP3 schreit, der kriegt Kopfschmerzen.
So wie die Musikindustrie. Nach den amerikanischen Nutzern von Tauschbörsen sollen jetzt auch die europäischen Filesauger dran glauben und vor Gericht gezerrt werden. Die Messer werden derzeit geschliffen, die Anwender fragen sich, ob sich das Risiko lohnt. Kommt wohl drauf an: Wer natürlich tausende von Files im Tauschordner bereit hält, fällt früher oder später auf. Ob dann die Fahnder der Musikindustrie an die Adressen hinter den IP-Nummern kommen, ist eine andere Frage. Sie brauchen dazu eine gerichtliche Anordnung. Und ausserdem können sich Anwender anonym bewegen oder auf andere Tauschkanäle ausweichen. Wie so oft zeigt sich nämlich: Die Kleinen werden aus Unkenntnis erwischt, die Grossen schlüpfen durch das weitmaschige Netz der Technologie.
Anstatt sich pfauenmässig in Pose zu werfen, sollte sich die Musikindustrie besser auf bezahlbare Online-Angebote besinnen und anstatt hochsterile, künstliche und hochgepumpte Interpreten wieder ein bisschen mit Dreck um sich werfen. Dann hätte der Musicstar-Juror Chris von Rohr endlich was zum Spielen.
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