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29.01.2014, 14:16 Uhr
Datenschützer von Politikern enttäuscht
Hanspeter Thür vom Eidgenössischen Datenschutz fordert Politiker auf, über härtere Richtlinien bei der kommerziellen Sammlung personenbezogener Daten nachzudenken.
«Datenklau und Lauschangriff – ist unsere Privatsphäre noch zu retten?» Unter diesem Motto debattierten im Käfigturm Bern, anlässlich des 8. Internationalen Datenschutztages, Hanspeter Thür, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte, mit SP-Ständerätin Anita Fetz, Alexis Roussel, dem Präsidenten der Piratenpartei, und FDP-Nationalrat Ruedi Noser.
Sensibilisierung im Umgang mit Big Data
Die heutige Möglichkeit der Beschaffung und Auswertung von sehr grossen Datenmengen sei ein grosses Problem, weil dies vermehrt von Privatunternehmen praktiziert werde, betonte sogleich Hanspeter Thür zum Einstieg. «Diese wollen je länger je mehr herausfinden, wie Kunden ticken und wie ihre mögliche Kunden angesprochen werden können.» Behörden seien fast im Wochentakt damit konfrontiert, wie viele Daten ein bestimmtes Geschäftsmodell generieren kann und zitiert als Beispiel ein (ungenanntes) GL-Mitlied der Swisscom IT:
«Bei der Nutzung von Big Data geht es darum, frühzeitig Leistungen bereitzustellen, bevor die Kunden dies selbst erkannt haben.»
Dieses Zitat beschreibe aus Thürs Sicht die ganze Dramatik im Umgang mit Big Data. Man stelle fest, dass die Nutzung von personenbezogenen Daten immer mehr um verschiedenste Geschäftsbereiche mäandriert. Auf die Frage des Moderators, warum Thür sich in letzter Zeit so enttäuscht von der Politik zeige, erwiderte Thür, dass es an der Zeit sei, der Big-Data-Nutzung allgemein klarere Regeln entgegenzustellen.
Hanspeter Thür sieht politischen Handlungsbedarf
Anita Fetz kommentierte, vor der Zäsur «Snowden» habe sie vor allem die Datenproblematik beim Nachrichtendienst gesehen, weil festgestellt wurde, dass vom eigenen Nachrichtendienst Daten über Parlamentarier gesammelt wurden. «Erst nach der Ära Snowden ist mir bewusst geworden, wie schlimm die ganze kommerzielle Datennutzung von IT-Konzernen ist», sagte die Ständerätin. Aus Ruedi Nosers Sicht gab es zudem «eine zweite Zäsur»: das Bankgeheimnis und der Finanzplatz Schweiz. Noser entgegnete dem Datenschutzbeauftragten: «Da haben wir dich auch gestützt.» Das Parlament wäre beim «Schweiz-USA-Banken-Deal» nicht bereit gewesen, den Datenschutz aufzugeben.
Neudefinition von Menschenrechten
Noser meinte weiter, die ganze Sache rund um Big Data sei viel komplexer, als dass man auf die Schnelle ein paar neue Regeln aufstellen könnte und bezog sich auf die Komplexität von Algorithmen, die teilweise in Social-Media-Kanälen schon imstande seien, anhand einiger weniger Phrasen herauszufinden, ob man homosexuell oder heterosexuell sei und schloss sich eher der Aussage der Piratenpartei an. Denn nach Alexis Roussel, dem Präsidenten der Piratenpartei, müssten die Menschenrechte neu definiert werden. Die Daten müssten dem einzelnen Individuum gehören und ohne das Einverständnis des Einzelnen dürften die Daten nicht weiterverwendet werden, auch nicht vom Nachrichtendienst, so Roussel. Der Zürcher FDP-Nationalrat wies darauf hin, dass nicht jedes Sammeln von Daten negativ sei. Geklärt werden müssen in seinen Augen das Eigentum und das Recht zum Löschen, das heute nirgends verankert sei.
«Für mich ist E-Voting gestorben»
Nach Anita Fetz müssten Datenschutzverletzungen auf jeden Fall mit härteren Bussen bestraft werden. In einem Punkt war man sich offenbar einig: Es müsse eine Art digitale Menschenrechts-Charta bei der Uno lanciert werden, so auch Fetz. Gleichwohl meinte die Ständerätin, sei für sie beispielsweise das E-Voting «gestorben». Demokratie könne noch einige Jahre auf Papier überleben, ehe es keine klaren Regeln im Umgang mit personenbezogenen Daten gäbe. Dem entgegnete Noser: Da könne man genau so gut über die Löschung von Telefondaten diskutieren oder über die Frage des Offenheitsprinzips bezüglich politischer Meinung. Die Ständerätin hielt aber fest, dass mit Verknüpfung personenbezogener Daten im E-Voting unter Umständen schon vor einer Wahl grössere demografische Rückschlüsse gezogen werden können, ehe überhaupt abgestimmt wurde.
Überwachung von Kaufhauskunden
Laut Thür wäre es klar widerrechtlich, beispielsweise Daten darüber zu sammeln, wie lange jemand vor einem Kaufhausschaufenster stehe oder welche Ware sich jemand ansehe und appellierte an einen von Journalisten aufgedeckten Fall einer Detailhandels-Marketingfirma. «Sobald wir einen solchen konkreten Fall haben, werden wir eingreifen», sagte er. Dazu müsse aber abgewartet und gehofft werden, dass einmal ein «Mini-Snowden» daherkomme.
Autor(in)
Simon
Gröflin
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