News
03.09.2013, 12:06 Uhr
Microsoft kauft Nokia: Chancen und Risiken
Auf dem Weg von der Software-Firma zum Devices- und Services-Konzern übernimmt Microsoft die Mobiltelefon-Sparte von Nokia. Das passt, allerdings bestehen auch Risiken.
Microsoft übernimmt das Handy-Geschäft von Nokia. Ausserdem sichert sich der Software-Weltmarktführer Zugriff auf rund 30'000 Patente des Mobilfunk-Riesen aus Finnland. Beides kostet den US-amerikanischen Konzern knapp 5,5 Milliarden Euro, umgerechnet 6,7 Milliarden Franken. Für den Spottpreis bekommt Microsoft die Nummer zwei auf dem Handy-Weltmarkt und lukrative Patentverträge. So weit, so attraktiv.
Anders als Apple, die ihre iPhones von Auftragsfertigern wie Foxconn und Pegatron bauen lassen, wird Microsoft mit der Übernahme auch Hersteller von Mobiltelefonen. Nokia besitzt Fabriken unter anderem in China, Finnland, Indien, Mexiko Ungarn und Vietnam. Dort werden vornehmlich keine Windows-Telefone gefertigt, sondern einfache Handys. Die Produktionsstätten haben immer auch das Risiko, dass bei Missständen ein schlechtes Licht auf den Besitzer fällt. Microsoft steht künftig – noch mehr als bisher – unter der Beobachtung der Aufsichtsbehörden. Bisherige Verfehlungen (im Wettbewerbsrecht) kosteten den Windows-Konzern schon hunderte Millionen.
Rund 600 Millionen US-Dollar zahlte Apple im Jahr 2011 im Patent-Streit mit Nokia. Mit den Lizenzen für das Patent-Portfolio von Nokia sichert sich Microsoft erstens vor solchen Risiken. Zweitens bekommt Redmond das Recht, auch von Vereinbarungen mit Dritten und Nokia zu profitieren. Zu den Vertragspartnern der Finnen zählen zum Beispiel IBM, Motorola (Google) und Qualcomm. Google liess sich die Patente von Motorola Mobility circa 12,5 Milliarden US-Dollar kosten. Vor diesem Hintergrund sind die umgerechnet 2,2 Milliarden US-Dollar für eine Zehnjahreslizenz der Nokia-Patente ein Schnäppchen.
Wachstumsmärkte
Erwiesenermassen viel Wachstumspotenzial hat Microsoft-Nokia jenseits der gesättigten Märkte. Aus Lateinamerika berichtet der Marktforscher IDC zum Beispiel, dass Windows-Telefone den zweiten Platz in den Verkaufshitparaden hinter Android erobert haben. In Kolumbien soll Windows Phone einen Marktanteil von 25,6 Prozent haben – der höchste weltweit.
Mit dem Update auf Windows Phone 8 hat Microsoft sein Mobilsystem in mehr Sprachen übersetzt, darunter Chinesisch, Portugiesisch und Russisch. In allen Ländern ist Nokia traditionell schon mit «einfachen» Handys präsent. Wenn der Windows-Konzern nun ein «abgespecktes» Telefon-Betriebssystem lanciert, liessen sich riesige und boomende Absatzmärkte mit den Mobilgeräte erschliessen. Angeblich sieht diese Chance auch Apple und erwägt ein «Billig»-iPhone.
Für die bisherigen Lieferanten von Windows Phone – neben Nokia auch HTC, Huawei, LG und Samsung – könnte die Übernahme ein Signal zum Ausstieg sein. Wenn sich die grossen Hersteller insbesondere aus Asien zurückziehen, würde das die Microsoft-Plattform schwächen. Mit speziell für die Märkte in Fernost entwickelten Smartphones könnte Nokia anderes herum aber auch Alleinstellungsmerkmale schaffen.
Personalie Stephen Elop
Microsofts Wandel vom Software-Konzern zum Devices- und Services-Anbieter soll der bisherige Nokia-CEO Stephen Elop treiben. Er war erst im September 2010 zu den Finnen gewechselt, nun wird er voraussichtlich zu seinem früheren Arbeitgeber zurückkehren und die neue Devices-Sparte leiten. Die bisher auf diesem Posten amtierende und frühere Windows-Entwicklungs-Chefin Julie Larson-Green soll in das zweite Glied zurücktreten. Ihr Fokus wird auf der Weiterentwicklung Surface und Xbox liegen.
Elop wird vielerorts als ein möglicher Nachfolger von Microsoft-CEO Steve Ballmer gehandelt. Als Ballmer vor rund anderthalb Wochen seinen Rückzug bekannt gab, wurde explizit gesagt, dass Microsoft für externe und interne Kandidaten offen sei. Bevor Elop den Chefposten bei Nokia übernahm, hat er bei Microsoft die Business Division geleitet und war Mitglied der Geschäftsleitung. Er verantwortete aber allerdings recht kurz die Geschäfte mit Office-Produkten und Unternehmensanwendungen. Seine nur etwa zweijährige Firmenzugehörigkeit könnten Elop nun zum Vorteil gereichen, wenn er Microsoft wirklich als CEO in die Zukunft führen soll.
03.09.2013
04.09.2013